piwik no script img

Miethai & CoNicht schlimm

Vermieter beleidigen erlaubt  ■ Von Christiane Hollander

Das Amtsgericht Hamburg-Altona hatte kürzlich eine schwierige Frage zu klären: Reicht es für eine fristlose Kündigung aus, wenn die Mieterin dem Vermieter zuruft: „Du bist verrückt. Du bist betrunken.“ und ihn später noch als „Arschloch“ bezeichnet? Dies kann man nicht generell beantworten, sondern es muss im Einzelfall aufgrund der konkreten Situation in Abwägung der schützenswerten Interessen beider Parteien bewertet werden, meinte das Amtsgericht. Die Schwere des Vertragsverstoßes müsse in Beziehung gesetzt werden zu den Folgen, die das Fortbestehen beziehungsweise die Beendigung des Mietverhältnisses für die Betroffenen habe (AG Hamburg Altona, Urteil vom 05.10.00, Az.: 317 C 443/00).

Stein des Anstoßes war ein Einkaufswagen einer Billigmarktkette, der von der Mieterin auf einer von sämtlichen Bewohnern genutzten Gemeinschaftsfläche abgestellt worden war. Dies war dem Vermieter ein Dorn im Auge, der daraufhin den Wagen einfach zurück schob. Durfte er nicht, meinte das Gericht. Auch wenn dieses Verhalten pragmatisch und die Gründe nachvollziehbar seien, sei dies verbotene Eigenmacht. Die ihm in dieser Situation entgegen geschleuderten Worte „verrückt“ und „betrunken“ wurden nicht als schlimmer Fall der Beleidigung gewertet. Interessant sind die Einschätzungen des Gerichtes, die Attribute an sich seien nicht ehrenrührig und nur in bestimmten Zusammenhängen beleidigend.

Als man sich am Abend begegnete, war die Mieterin immer noch erbost und rief dem Vermieter „Arschloch“ hinterher. Auch diesen Vorfall betrachtet das Gericht im Gesamtzusammenhang und meint, hier sei eine reine Formalbeleidigung gefallen, die das Persönlichkeitsrecht des Vermieters zwar treffe, aber nicht besonders tief. Bemerkenswert dann die Gewichtung bei der Abwägung der Interessen: Für eine ältere Frau, die ca. 40 Jahre in einem Haus wohnt und an lediglich einem „wenig glücklichen“ Abend aus der Rolle fällt, ist die Räumung der Wohnung unverhältnismäßig. Das Gericht warnte die Mieterin aber, dass weitere solcher Streitereien zu einem anderen Ergebnis führen könnten.

In einem Abschlusssatz weist das Gericht darauf hin, dass Mieter und Vermieter die gleichen Rechte, mit Beleidigungen umzugehen (Unterlassungsklage, Anzeige), haben. Die Vermieterstellung sei aber kein Joker, der bei der Durchsetzung des allgemeinen Persönlich-keitsrechtes als Trumpf ins Spiel gebracht werden könne.

Rat: Kühlen Kopf bewahren und bei Ärger am besten an Beleidigungen nur denken, denn dies ist weder strafbar noch ehrenrührig.

Christiane Hollander ist Berater bei Mieter helfen Mietern, Bartelsstraße 30, 20357 Hamburg, Telefon 431 39 40

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen