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Miese Basis für Rente mit 67Kaum jemand arbeitet bis zuletzt

Nur ein Drittel der 60-Jährigen arbeitet, viele in prekären Jobs. Viele Ältere finden gar keinen. Jetzt muss die Regierung überprüfen, ob die Rente mit 67 so vertretbar ist.

Schweißtreibend: Auch Dachdecker haben es schwer, im Alter zu arbeiten. Bild: dpa

BERLIN taz | "Die politische Entscheidung für die Rente mit 67 ist gefallen." Diese Worte verkündete das Bundesarbeitsministerium von Ursula von der Leyen Anfang August. Für die Bundesregierung scheint also schon heute klar, dass alle Beschäftigten in Deutschland ab 2029 erst mit 67 Jahren in Rente gehen können. Dabei muss die Regierung in diesem Jahr erstmals überprüfen, "ob die Anhebung des Renteneintrittsalters angesichts der Arbeitsmarktentwicklung und mit Blick auf die wirtschaftliche und soziale Situation älterer Arbeitnehmer weiterhin vertretbar erscheint". Die Ergebnisse dieser Überprüfung sollen im Herbst im Rentenbericht veröffentlicht werden.

Doch wie sehen die Fakten aus? Dazu hat die Bundestagsfraktion Die Linke Anfang des Jahres eine große Anfrage an die Bundesregierung gestellt. Nun ist die Antwort da. "Die Rente erst ab 67 ist ein groß angelegtes Kürzungsprogramm, sie wälzt die Risiken der wirtschaftlichen Entwicklung allein auf die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ab", konstatiert Parteivorsitzender Klaus Ernst. Die Regierung sieht das anders. Die Beschäftigung Älterer entwickle sich gut, heißt es. Dieser Trend werde sich fortsetzen. Insofern bestehe kein Anlass, die Rente ab 67 zurückzunehmen. Doch Fakten widerlegen das.

58,5 Prozent aller 55- bis 65-Jährigen, heißt es in der Antwort auf die Anfrage, sind aktuell beschäftigt. 2000 waren es 42,9 Prozent. Die Beschäftigungsquote der 60- bis 65-Jährigen fällt allerdings geringer aus: Nur ein Drittel von ihnen arbeitet. Bei den 64-Jährigen ist es ein Viertel. Die Quote der Beschäftigten sagt nichts über die Art der Arbeit.

Nur 38 Prozent der 55- bis 64-Jährigen sind tatsächlich sozialversichert beschäftigt, knapp 10 Prozent der 64-Jährigen haben einen sozialversicherungspflichtigen Job. Das heißt, die meisten Älteren arbeiten in Minijobs und anderen prekären Jobs. Sie zahlen kein Geld mehr in die Rentenkasse ein, entsprechend niedrig fallen später ihre Bezüge aus.

Zur gleichen Zeit beschäftigen 36 Prozent aller Betriebe in Deutschland keine Menschen über 50. Wer über 60 ist und seinen Job verliert, hat kaum eine Chance, eine neue Stelle zu finden. Gerade ein Fünftel von ihnen schafft noch einmal den Sprung aus der Arbeitslosigkeit in einen Job. Mehr als ein Fünftel aller Menschen, die in Rente gehen, waren zuvor erwerbslos.

Schon die Rente ab 65, wie sie heute besteht, existiert nicht wirklich. Im Schnitt sind die Menschen 63 Jahre alt, wenn sie in Rente gehen. Das bringt Abschläge mit sich. Fast die Hälfte aller Menschen, die 2008 in Rente gingen, mussten monatlich auf 115 Euro Rente verzichten. Diese Abschläge summieren sich während der durchschnittlichen Dauer einer Rentenphase auf immerhin 25.000 Euro.

Hinzu kommt: Arbeit, wie sie heute existiert, macht krank. Fast ein Viertel aller 55- bis 64-jährigen geht heute aus gesundheitlichen Gründen vorzeitig in Rente. Betroffen sind in erster Linie Bau- und Hilfsarbeiter, Maurer, Maler, zunehmend aber auch Beschäftigte in der Kranken- und Altenpflege und Erzieherinnen. Und: Angelernte, gering Qualifizierte und überwiegend prekär Beschäftigte haben deutlich geringere Chancen als gut Verdienende, bis zur Rente zu arbeiten.

Niedriglöhne, prekäre Beschäftigung und unterbrochene Erwerbsbiografien sind für diejenigen, die künftig mit 67 in Rente gehen, längst Realität. Das Armutsrisiko der 65-Jährigen und Älteren liegt derzeit bei 13 Prozent. Immer mehr Menschen dieser Altersgruppe sind von Grundsicherung im Alter abhängig: 2003 waren es 1,7 Prozent, 2008 waren es schon 2,5 Prozent. 43 Prozent aller Menschen in Deutschland gehen davon aus, dass ihre Rente später nicht zum Leben reichen wird.

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14 Kommentare

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  • N
    Nordwind

    Für die Finanzindustrie macht die Rentendiskussion durchaus Sinn.

     

    Je geringer die umlagefinanzierte Rente ausfällt desto stärker muß man sich über private Rentenversicherungen absichern.

     

    Das es bei der Diskussion um das absenken der Leistungen aus der umlagefinanzierten Renten geht und nicht wirklich um eine längere Lebensarbeitszeit ist nur zu offensichtlich.

     

    Ergo: es sind die Blutsauger der Finanzindustrie die durch unsere "Volksvertreter" mit Kasinochips versorgt werden. Nur in diesem Zusammenhang werden die Kampagnen zur Erhöhung des Renteneintrittsalters verständlich.

     

    Demokratie ist wenn Entscheidungen entsprechend dem Mehrheitswillen gefällt werden.

     

    Dies trifft neben einigen anderen Beschlüssen des Parlaments auch auf die Rentenreformen nicht mehr zu.

     

    In der derzeitigen Situation sollte man sich wirklich angewöhnen jeden Beschluß unserer "Volksvertreter" mit den folgenden Worten zu hinterfragen:

     

    Wer verdient daran?

  • S
    schaumalhin

    Rente mit 67 Jahren und dennoch werden seit Jahren „alte Leute“ von 45+ „entsorgt“?

    Da hilft auch nicht, daß manche Brachen inzwischen aus der Not eine Tugend machen und auf „ältere“ Arbeitnehmer/innen zurückgreifen (müssen), u.a. weil sie zuvor, des kurzfristigen Mammons wegen, die Ausbildung vernachlässigt haben.

    Rente mit 67 Jahren ist kein Zufall, das ist Kalkül. Man setzt das Rentenalter hoch, mit dem Wissen, daß ein Großteil der Beschäftigten 100% nicht erreicht, weil betriebliche und gesundheitliche Gründe vorliegen. Resultat: die Rente wird gekürzt.

    Warum? Weil man nicht nur keine staatlichen Zuschüsse in die Rentenkasse zahlen will, sondern diese Kasse mit den so „vornehm“ umschriebenen „sachfremden“ Leistungen ausgeraubt. Von einer stattlichen Regelung wie beispielsweise in der Schweiz ganz zu schweigen.

    Doch das dicke Ende komm später, nämlich dann, wenn die ausgebeuteten Mini- und Geringverdiener/innen das Rentenalter erreichen. Wer zahlt dann für die „großen Erfolge“ der seit Jahren betriebenen Beschäftigungspolitik und der sie begleitenden Fälschungen der Arbeitslosenzahlen? Ob man sich dann noch an die netten Gefälligkeiten, z.B. der Mövenpicker erinnert und diese zur Solidarität* aufruft? (* Pfui, was ist das denn schon wieder?)

  • F
    Fynn

    Wozu und wofür lebe ich eigentlich; um noch länger zu arbeiten, um nur zu arbeiten - um dem Staat zu dienen . . . ?

    Leben besteht nicht nur aus arbeiten, arbeiten . . .

     

    Viele, sehr viele würden Ihre Rente oder Pension auch gerne noch etwas genießen, solange sie dazu körperlich und geistig noch in der Lage sind - und haben absolut keinerlei Interesse daran, noch (bis jetzt "nur") zwei Jahre länger arbeiten zu müssen, da es bis zum 65. Lebensjahr immer noch lange genug ist.

     

    Da drängt sich der Gedanke auf, was danach kommt . . . eine schrittweise anlaufende Verlängerung (die EU hat ja auch wieder ihren Senf dazu beigetragen)?

    Pardon, es entging mir, das wir uns so sehr rückwärts entwickeln und orientieren.

     

    (Sarkastisch, ach ja, Zauberwort Polemisch) Aber die fürstliche Entlohnung soll ja weiterhin gesichert sein, inklusive weiterer "Anpassungen" -

    und das Wahlvieh verhält sich weiter wie die drei Affen:

    nichts sagen, nichts hören, nichts sehen.

  • R
    runzbart

    es will mir einfach nicht in den kopf rein, wieso jemand, der seine ausbildung mit 16 beginnt x jahre länger in einem wahrscheinlich anstrengenderen beruf arbeiten soll, als ein student, der etwas später beginnt oder etwas länger braucht um fertig zu werden.

    wo liegt da der sinn vergraben?

    warum werden nicht die arbeitsjahre herangezogen und ein bestimmtes alter, als sicherungsnetz, festgesetzt, ab dem man dann in den ruhestand kann, abhängig vom ... "erwerbseintrittsalter". als akademiker kann man durchaus noch arbeiten wenn man älter als 70 ist, was der ein oder andere emeritierte professor an meiner uni durchaus beweist.

  • M
    mimi

    Seit Jahren steigt die Zahl der psychischen Erkrankunen rapide an, parallel zur Expansion von Niedriglohnsektor und politisch forcierter Ungleichheit. All diese Menschen werden vorzeitig aussteigen müssen und diese Alternative muss man ihnen auch bieten!

     

    d.w. ist das deutsche Rentenniveau auch im Vergleich anderer OECD-Länder nach etlichen Kürzungen für Geringverdiener sehr niedrig! Man sollte wie in der Schweiz und anderswo Niedrig- und Mäßigverdienern eine prozentual höhere Rentenberechnungsbasis bieten. In der Schweiz u.a. Ländern sind das oft 80% des Einkommens.So verhindert man Altersarmut.

     

    immer wieder ein Hohn ist es, Privatvorsorge von Personen zu fordern, die bereits jetzt schon Probleme haben ihre laufenden kosten zu decken! Abgesehen davon, dass Riesterrente auch noch Betrug ist und Subventionierung der Versicherungsbranche.

     

    ich selbst gehe sowieso davon aus, nachher nur wenig mehr als GruSi-Rente zu haben. Jeden morgen sehe ich dieselbe Rentnerin in Mülltonnen wühlen -- das soll mich wohl schon darauf aufmerksam machen, wo ich später mal stehen werde? Diese Politik in DE ist unfähig und korrupt!

  • KH
    Karin Haertel

    Da unser "Verfallsdatum" bereits mit Anfang 40 erreicht itt und dann die Zwangsverrentung mit elegant formulierten Abschlaegen droht, ist ein Renteneintrittsalter von 65, 67 oder gar 70 doch nichts weiter als eine nicht zugegenbene Rentenkuerzung.

  • W
    Wolfgang

    Die DAX-Vorstandsmitglieder haben bereits ab 60 einen vollwärtigen Anspruch auf 1.000.000 Euro aufwärts (einige bereits ab 58.), - ohne Abzüge!

     

    Im Bundesdurchschnitt liegt das Rentenalter für Männer und Frauen bei 60,5 Jahren, - entsprechend sind noch die Abzüge (14 % und noch für die Kranken- und Pflegeversicherung) zusätzlich!

     

    Die Durchschnittsrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung - für die Menschen aus der realen Wertschöpfung der Lohnarbeit - liegt für Männer bei 1049,27 Euro (abzüglich Kranken- und Pflegeversicherung) und für Frauen bei 528,23 Euro (unterhalb der Sozialhilfe bzw. gesetzlichen Grundsicherung)!

     

    Lohnarbeiter in Unterbezahlung - unter 10-Euro-Std. - erhalten auch nach lebenslanger Arbeit bzw. nach 43 Arbeitsjahren nur Sozialhilfe bzw. max. die geringe Grundsicherung.

     

    Die Rentendiskussion "Rente mit 65" bzw. "Rente mit 67" ist ein großes Verbrechen der Privatisierer der gesetzlichen Rentenversicherung, - aus den Reihen der BDA-Lobbyisten: CDU-FDP-CSU-Bundesregierung und Parlamentsmehrheit an der lohnabhängigen Mehrheitsbevölkerung.

    Wie bereits in der Vergangenheit, so zielt die weitere Anhebung des Renteneintrittsalters auf die fortgesetzte Kürzung der Renten für die unteren sozialen Schichten und Klassen der Gesellschaft. Es geht um die weitere Umverteilung, von unten nach oben, auch zum Nachteil der jungen Menschen aus der wissenschaftlich-technischen Lohnarbeit!

  • W
    Wolfgang

    Nicht nur bei den 55- bis 65-Jährigen ist die Erwerbsquote seit 2000 von 42,9 Prozent auf 58,5 Prozent gestiegen. Auch bei den 60- bis 65-Jährigen stieg die Quote von 20 Prozent auf 33 Prozent.

    Es ist allgemein bekannt, dass die Babyboomer in die Altersrente gehen und dass zukünftig Arbeitskräfte fehlen werden.

    Eine Regierung muss über eine Regierungsperiode hinweg planen. Deshalb ist die aktuelle Regelung völig richtig.

  • E
    Erika

    Es ist nicht nur so, dass die Älteren keine Arbeit mehr bekommen, es ist auch so, dass es eine Zwangsverrentung gibt. Also Menschen aus Hartz-IV dazu gezwungen werden, weit vorher unter Duldung erheblicher Rentenabschläge Rentner zu werden. Wir haben das Bürgergeld schon, es heisst Hartz IV. Die ganzen Maßnahmen und vermeintlichen gesetzlichen Abstufungen dienen nur dazu, diesen Umstand gesellschaftlich zu verschleiern und das Aufbegehren durch die Ämterschikanen abzufedern. Darin hat Deutschland ja unrühmliche Tradition. Man fragt sich, wann unser Protest hätte einsetzen müssen, vor 10 Jahren wahrscheinlich, bei Ankündigung der Agenda 2010. Die Regierung hat sehr wohl gewußt, was nach Einführung des Euro an Rentendiebstahl auf Deutschland zu kommt. Meine These ist: Der Haushalt war zu hoch verschuldet, mit der vermeintlichen Halbierung erhoffte man sich, wie ein angeschlagener Schuldner, kurzfristige Erleichterung, leider auf Kosten der realen Ersparnisse, der bereits erwirtschafteten Guthaben der arbeitenden Bevölkerung, die teilweise eben gar nicht verschuldet ist, sondern fleissig gespart hat. Es kann schon sein, dass dieser Vorgang eines Tages als ein Verbrechen angesehen werden wird. Ob es dann eine Möglichkeit geben wird, die Bundesregierung wegen falscher Beratung zu verklagen?

  • R
    reblek

    "Nur ein Drittel der 60-Jährigen arbeitet, viele in prekären Jobs. Viele Ältere finden gar keinen." Nein, nicht "in prekären Jobs", sondern "in einem prekären Job", schließlich "finden (sie auch) gar keinen" und nicht "gar keine".

  • D
    Daniel

    Damit die Rente mit 67 irgendeinen positiven Effekt hat, müsste gleichzeitig die Wochenarbeitszeit gesenkt werden und die Anzahl der (zumeist auch noch unbezahlten) Überstunden gesetzlich beschränkt werden.

     

    Aber der einfache Dreisatz wird sicherlich wieder zugunsten einer hanebüchenen Konjunkturlagerückfallquerberechnung unter den Tisch gekehrt - mit dem Ergebnis, dass am Schluss mehr Leute arbeitslos (und dank Hartz 4 dann auch noch vor der Rente komplett pleite) sind.

  • M
    Marie

    hahaha! Es war ja schließlich Vater des charmanten Gedankens, die Rente so zu kürzen, dass keiner aufschreit. In fact werden die künftigen Renten kaum an den H4-Satz ranreichen. Aber hey, wen stört's!

  • FN
    Felix Nagel

    Klar, so was beschließt sich leicht für sich und seine Freunde aus der Wirtschaft.

     

    Da wird zwar höchstens Verantwortung getragen -- übernommen wird sie aber nie.

  • T
    Tom

    wann endlich, kommt es bei Rentenversicherung wie auch bei den Krankenversicherung zu wirklichen Reformen. Das es so nicht weiter geht und die bestehenden Modelle keine Zukunft haben sollte doch allen nicht erst seit gerstern klar werden.

    Wann endlich machen die, die dafür von uns fürstlich entlohnt werden, und übrigens nicht in die Rentenkasse einzahlen, ihren Job?