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Micky DonnellyMyles und die Pinguinnummer

In diesem Roman wird der nordirischen Trinkkultur zum Glück unbeirrt die Treue gehalten, sonst aber einiges verbrämt: "Belfaster Doppel" von Micky Donnelly.

"Belfaster Doppel" ist der erste Roman des freischaffenden irischen Künstlers Micky Donnelly, aber die zwei, drei Sexszenen des Buches sind weit besser, als man es von einem Erstlingswerk erwarten würde. Außerdem kommt Donnelly auf 160 Seiten ganz schön weit herum, während sich sein Protagonist, der 39-jährige Kampftrinker Myles, lediglich von einem Belfaster Pub zum nächsten hangelt. Da wird das berühmte Motiv des Doppelgängers angerissen, es gibt Anklänge an den Bildungsroman, die politische Situation Nordirlands scheint auf, und das Ganze wird in einer postmodern verschobenen Zeitstruktur erzählt. Allerdings kommt der Roman kaum je über ein bloßes Anreißen hinaus.

Der Ich-Erzähler Myles erzählt uns von seinen Schwierigkeiten: Er ist verheiratet, aber seine Frau hat ihn hinausgeworfen, weil er zu viel säuft. Myles macht sich auf Wohnungssuche und gerät an den Immobilienhai Bigelow. Dieser vermietet ihm eine heruntergekommene Erdgeschosswohnung, die Myles innerhalb weniger Monate vollständig demoliert. Bigelow schickt Myles zwei Schläger auf den Hals. Auf der Flucht vor ihnen lernt Myles die Künstlerin Mex kennen. Es folgen die besagten Sexszenen im Pub, hinter einer Hecke und im Schlafzimmer. Doch als Mex Myles in ihr Fotoprojekt über Doppelgänger einbinden möchte, fühlt er sich von ihr benutzt. Und dann ist da noch McNabb, ein Kumpan von Myles, der ebenfalls von seiner Frau vor die Tür gesetzt wurde. Anders als Myles aber ist er durch diese Erfahrung geläutert und versucht nun seinerseits, Myles auf den rechten Weg zu bringen. Weil McNabbs Geschwafel den Leser und Myles selbst aber gleichermaßen langweilt, freut man sich, dass Myles der Belfaster Trinkkultur unbeirrt die Treue hält.

Das alles hätte für einen durchaus unterhaltsamen Roman über die nordirische Trinkszene gereicht, den vielleicht sogar Myles Pubfreunde gerne gelesen hätten. Wie die Pinguine, so Myles, drängt und schiebt man sich gemütlich und zufrieden zwischen Tresen und Stehtisch hin und her und erfreut sich an den zahlreichen Pints, die jeder Pinguin reihum für seine Pinguinfreunde ausgibt. Da es aber um eine gewisse Uhrzeit in jedem Belfaster Pub nur so vor Pinguinen wimmelt, will das Ordern gelernt sein: "Ich erhob mich leicht auf meinen Fußballen, den Kopf schräg nach hinten, die Augen erwartungsfroh hin und her bewegend, den Mund leicht geöffnet, bereit, laut, doch nicht zu früh zu rufen." Klarer Fall, Myles hat es raus, das Pinguinritual, und es ist eine Freude, ihm dabei zuzusehen und zuzuhören.

Aber Donnelly (er ist schließlich Künstler) will mehr, und so stellt er seinem Buch ein Nabokov-Zitat voran, das den Narziss-Mythos aufruft, um damit auf die literarische Tradition hinzuweisen, in der er auch sein "Belfaster Doppel" sehen möchte. Narziss verliebt sich in sein in einem klaren Bach gespiegeltes Antlitz und verhungert darüber; nach anderen Versionen stürzt er sich, um sich mit dem geliebten Gegenbild zu vereinigen, ins Wasser und ertrinkt dabei. Ein Autor, der seinem Buch diesen Mythos voranstellt, nimmt sich einiges vor. Donnelly löst die entstehende Erwartung so ein: Gegen Mitte des Buchs taucht Matt auf, der zwar etwas jünger ist als Myles, ihm aber zum Verwechseln ähnlich sieht. Und Myles sind zwei Schläger auf der Spur. Spätestens damit ist alles klar - bis auf die Frage, was die Geschichte von Myles und Matt mit dem Narziss-Mythos zu tun haben soll.

Doch nicht genug damit, dass Donnelly eine banale Verwechslungsgeschichte mit antiker Mythologie zu verbrämen versucht. Ab und an verfällt der Schwerenöter Myles wie ein echter Antiheld des Bildungsromans in Reue, und einmal weint er sogar - über einen einzelnen Sonnenstrahl, der sich ins regnerische Belfast verirrt. Anders als im Bildungsroman gibt es im "Belfaster Doppel" aber keine lineare Entwicklung; stattdessen bewegt sich die Handlung in postmoderner Manier auf zwei verschiedenen Zeitebenen. Mit etwas gutem Willen mag man diese "Doubletime" (Originaltitel) auf Myles Dauersuff zurückführen, in dem für ihn alles zerfließt und sich die Zeitebenen vermischen. Aber ein dauerbesoffener Roman kann nicht auch noch politisch sein wollen, obwohl Donnelly genau das versucht, wenn er Bemerkungen über die katholisch-nationalistischen Fenier einstreut und den Immobilienhai, der Myles im Nacken sitzt, Engländer sein lässt.

Gelungene Sauf- und Sexszenen machen eben noch kein gutes Buch. Aber sie machen richtig Spaß, und falls sich Donnelly künftig stärker auf kopulierende Pinguine konzentriert, darf man sich freuen.

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