Michael Müllers Neujahrsansprache: Saufen, kiffen, feiern!
Was tun BerlinerInnen in schweren Zeiten? Die taz nimmt Berlins Regierenden Bürgermeister Michael Müller (SPD) beim Wort.
Silvester- oder Neujahrsansprachen sind die Predigten der PolitikerInnen. Ein paar Minuten lang dürfen sie, von der TV-Kanzel herab, salbungsvolle Worte unters bereits wieder oder noch alkoholisierte Volk bringen, ein bisschen mahnen, für neuen Schwung im kommenden Jahr werben, sogar Gott um Beistand bitten. Und wer zwei oder drei dieser Reden gehört hat, ist meist in der Lage, die nächste Ansprache selbst zu formulieren.
Sogar, wenn es sich um schwierige Situationen handelt, wie es bei Berlins Regierendem Bürgermeister Michael Müller (SPD) dieser Tage der Fall ist. Laut Ankündigung seiner Pressestelle wird Müller in seiner Neujahrsansprache in Bezug auf den Anschlag am Breitscheidplatz unter anderem folgenden Satz sagen: „Als Kind dieser Stadt weiß ich, die Berlinerinnen und Berliner werden jetzt das tun, was wir in schweren Zeiten immer getan haben.“
Was kann er damit meinen? Eine kleine Umfrage in der Redaktion liefert die erwartbaren – was hier nicht negativ gemeint ist, im Gegenteil! – Antworten.
„Saufen, kiffen, feiern.“
Oder: „Jüngere Berliner werden beiseite gucken, etwas schneller gehen, aber nicht so schnell, dass es auffällt. Den Blick auf das Smartphone konzentrieren, die Kopfhörer etwas lauter stellen. Ältere Berliner werden über ‚Ausländer‘ schimpfen. Und ‚Ausländer‘ werden sich wundern, warum keiner was macht.“
Oder: „Einem starken Mann hinterherlaufen – ob Müller diesen Erwartungen gerecht werden kann?“
Oder: „Eine Berliner Weiße trinken.“
Oder: „Die letzten noch lebenden Trümmerfrauen aktivieren.“
Oder: „Das Fenster aufmachen und nach dem Wetter gucken.“
Oder: „So tun, als wäre gar nichts gewesen.“
Oder: „Immer jut uf’n Müller schimpfen.“
Tatsächlich wird der Regierende – laut Pressemeldung – genau dies hier sagen: „Zusammenrücken, besonnen und selbstbewusst sein und Hass nicht mit Hass begegnen. Genauso klar ist: Wir werden gegen diese und jede andere Form von Gewalt mit der ganzen Härte unseres Rechtsstaats vorgehen und auch wenn der mutmaßliche Täter tot ist, nicht ruhen, bevor die Tat lückenlos aufgeklärt ist.“
Was letztlich ja nur eine Langform für all das oben genannte ist.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rechtspopulistinnen in Europa
Rechts, weiblich, erfolgreich
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Landesparteitag
Grünen-Spitze will „Vermieterführerschein“
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Die Wahrheit
Herbst des Gerichtsvollziehers