Michael Braun über die italienische Bankenkrise: Flucht der Anleger
So ist das, wenn große Krisen drohen: Alle geben sich ganz gelassen. Italiens Ministerpräsident Matteo Renzi versichert Tag für Tag, das Bankensystem seines Landes sei doch eigentlich grundsolide, die echten Problemfälle säßen „woanders“. Auch Ignazio Visco, Präsident der Banca d’Italia, sieht zwar „Nervosität“ bei den Märkten, gibt sich aber weiter unverdrossen zuversichtlich.
Doch was sich letzte Woche an der Börse in Mailand abspielte, hatte eher die Züge von Panik denn von ein bisschen „Nervosität“. Binnen zwei Tagen rauschte die Aktie des Monte dei Paschi di Siena (MPS), der drittgrößten Bank des Landes, um mehr als 30 Prozent nach unten, weil die EZB einen drastischen Abbau der faulen Kredite in den Büchern gefordert hatte.
Plötzlich nimmt die Finanzwelt zur Kenntnis, was alle schon wussten: Italiens Banken halten uneinbringliche Kredite in Höhe von 210 Milliarden Euro – Staatshilfen sind aber seit 2015 in der Eurozone ausgeschlossen. Die Folge liegt auf der Hand: Kaum kommt eine Bank ins Gerede, treten die Anleger die Flucht an, weil sie fürchten müssen, ihr gesamtes Kapital zu verlieren.
MPS aber braucht mit hoher Sicherheit 3 Milliarden Euro frisches Kapital, um den EZB-Sanierungsforderungen genügen zu können. „Die Märkte“ werden dieses Geld nie und nimmer bereitstellen.
Für Europa – und das heißt wieder einmal: für Brüssel und Berlin – gibt es wie schon bei Ausbruch der Eurokrise eine klare Alternative. Entweder insistiert die EU, insistiert die Eurogruppe darauf, dass jeder „seine Hausaufgaben“ macht, auch wenn die Folgen für die Finanzmärkte und damit für die Stabilität des Euro dramatisch, ja unkalkulierbar sein könnten. Oder es lässt jene Staatshilfen zu, die im Ausnahmefall ja durchaus zulässig wären. Denn nur Italiens Regierung könnte mit einer entschlossenen Intervention den MPS retten und damit den Ausbruch eines Flächenbrands verhindern.
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