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Michael Brake GeschmackssacheIch komm aus Kreuzberg, du Foodie!

Foto: Erik Irmer

Wie so manche Geschichte beginnt auch diese auf der Toilette. Auf ebenjener wurde mir neulich beim Instagram-Scrollen eine Werbung des Berliner Restaurants Wen Cheng Noodle angezeigt. Damit wollten sie mir aber keine Nudelsuppen verkaufen, sondern mich gewinnen, es selbst zu tun. Wen Cheng sucht Lizenznehmer für Filialen, deutschlandweit.

Kurz zur Einordnung: Wen Cheng eröffnete 2021 und machte sich in Berlin schnell einen Namen, durch enorm lange Warteschlangen und wirklich leckere handgemachte chinesische Nudeln. Der Hype wirkt, inzwischen gibt es in Berlin fünf Läden, Mitte September eröffneten die ersten in Hamburg und Düsseldorf.

Damit ist Wen Cheng nicht die einzige Berliner Gastroidee, die klein begann, sich dann in der Hauptstadt ausbreitete und inzwischen über sie hinausgewachsen ist. Risa Chicken (gegründet 2004), bekannt für halales Hühnchen: seit Mai auch in Leipzig. Goldies (2017), zunächst ein Pommesladen, inzwischen auf Smashburger spezialisiert: seit 2024 auch in mehreren westdeutschen Städten. Die vegane Donutbäckerei Brammibal’s (2015): seit 2022 in Hamburg. Mmaah (2013), bekannt für koreanisches Fastfood: seit 2022 in München, eine größere Expansion ist geplant. Und schon vor der aktuellen Welle hat es WonderWaffel (2011) bis in die Schweiz und die USA gebracht.

Dahin will auch Burgermeister – noch so eine Geschichte, die auf dem Klo begann, nämlich 2006 in einem ehemaligen Toilettenhaus aus grünem Metall in Kreuzberg, direkt unter der Hochbahntrasse. So urban. So Berlin!!! Erst 2015 gab es die zweite Burgermeister-Filiale, mittlerweile sind es deutschlandweit schon 21, und im Oktober wird auch eine in Polen eröffnen. Angeschoben von einem Millioneninvestor sind weitere Länder längst im Visier. Mit improvisierter Klohausromantik hat das längst nichts mehr zu tun.

Warum Berlin? Das liegt wohl auch an seiner schieren Größe: Ist ein Fastfoodladen gut, gibt es schnell genug Kundschaft für mehrere Standorte. So kann man sich ans Franchisebusiness mit seiner Reproduzierbarkeit von Gastroerlebnis und Geschmack herantasten, bevor man den Sprung in neue Städte wagt. Wo man dann noch den „Die hippe Kette aus Berlin kommt“-Startbonus hat.

Michael Brake blickt jeden Monat auf neue und alte Trends in Restaurants, Küchen und Supermarkt­regalen.

Was ich von alldem halten soll, weiß ich selber nicht so recht. Aber es fasziniert mich – auch, dass ich auf einem einstündigen Spaziergang in meiner Nachbarschaft ein halbes Dutzend Originalstandorte der genannten Ketten besuchen kann. Vielleicht sollte ich das mal als Foodtour anbieten, bald, wenn die Touristen nicht mehr für die Clubs nach Berlin kommen, sondern für das Streetfood.

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