Frank Schäfer : Metallköpfe wirbeln wieder
Nach gut anderthalb Jahren mal wieder ein richtiges Open Air mit meinen Braunschweiger Lieblingsdreschern Headshot. Ich war spät dran, aber der Krokoszinski Sicherheitsdienst ließ sich nicht aus der Ruhe bringen, kontrollierte skrupulös meinen Perso und fragte auch noch, ob Mami mir genügend Geld mitgegeben hätte. Woher weiß er das?, überlegte ich, drohte aber spielerisch mit dem Zeigefinger. „Mein lieber Krokoszinski!“
„Schnutenpulli!“, befahl er. „Bei einem Open Air?“ Er hob messianisch die Hände. „Es sei denn, du hast gleich ein Wolters vorm Hals und hörst am besten gar nicht wieder auf.“ Als ich das Gelände betrat, sah ich, dass er das allen anderen vor mir auch schon geraten hatte. Die gut 200 Festivalgäste zeigten sich sehr gelehrig. Zwei lagen schon lang, mit dem Kopf nach unten, der Rest arbeitete mit dem Bierbecher in der Faust dran. Endlich wieder zu Hause.
Die Veranstalter hatten freundlicherweise Klappstühle aufgestellt. Man ist die Rumsteherei auf Festivals nicht mehr gewohnt. Ich ging direkt zur Bühne und rief meinen Head-shot-Buddies Till und Olaf aufmunternde Worte zu. „Kann losgehen, bin da!“ – „Das gibt Sicherheit“, nickte Till und rödelte gleich los mit der perfiden Grazie eines Abbruchhammers. „Es ist mir ein inneres Blumenpflücken“, ließ Shouterin Dani zur Begrüßung vernehmen, sang aber den Rest des Abends, als wollte sie uns fressen.
„Dani, ich will ein Rind von dir“, schrie ein Irrer. Die gekrümmte Haltung verriet seine Angst. Startposition. Falls sie herunter kam von der Bühne, um ihn zu holen, wäre er längst auf der Flucht. In ihrer Langmut aber brüllte sie ihn bloß nieder. „Du Schwein!“ Er war gewarnt.
Headshot brachten die Sitzreihen ausgelassen zum Schunkeln. Wer noch Haare hatte, ließ sie kreisen. Zwei besonders frenetische Fans falteten Papierflieger mit Songvorschlägen und ließen sie gen Bühne segeln. Die Krokoszinskis steckten die Köpfe zusammen und beratschlagten, ob sie eingreifen mussten. Einem Metalhead standen dicke Kullertränen in den Augen, weil er endlich wieder eine richtige Packung bekam. Und er nutzte eine Pause zwischen den Songs, um sein Lebensglück hinauszuschreien. „Untenrum!“
Dann kam die Nacht. Die Lightshow sorgte für Muckeligkeit, Headshot legten ein paar Klafter Holz nach und das Festivalvolk strömte zur Bühne, um sich die Beine und Hälse zu vertreten. In meinem Überschwang riss ein Gummi, die Maske schlabberte wild im Schallwind. Aber die aufmerksamen Herren vom lokalen Metalclub Hotel 666 sind bekannt für ihr ausgeprägtes Helfersyndrom. Ehe ich mich versah, hatten sie mir mit extrabreitem Panzerband die Maske am Ohr festgetapet.
„So!“, schrien sie, begleitet von Olafs trügerisch einschmeichelnder Leadgitarre, „die hält erst mal ’ne Weile!“ Sie freuten sich außerordentlich. Der Segen, der im Helfen liegt, ich glaubte, ihn in ihren Augen lesen zu können. Bis ich die Maske später wieder abnehmen wollte.
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