Messerangriff in Hamburg: IS reklamiert Tat für sich
Mitte Oktober erstach ein Unbekannter einen 16-Jährigen am Alsterufer. Nun sagt das IS-Sprachrohr Amak, hinter der Tat stecke ein „Soldat des IS“.
Die Polizei wollte auf Anfrage zunächst keine Auskunft dazu geben, ob sich die IS-Mitteilung auf diese Tat beziehen könnte. Hamburgs Polizeipressesprecher Timo Zill warnte vor Spekulationen und sagte der Deutschen Presse-Agentur: „Der Staatsschutz ist ab sofort in die Ermittlungen involviert.“
Die Bundesanwaltschaft prüft nun aber die Übernahme von Ermittlungen in dem Fall. Wie ein Sprecher der Karlsruher Behörde der Deutschen Presse-Agentur am Sonntag sagte, gehen Ermittler einer Nachricht des IS-Verlautbarungsorgans Amak nach, einen Messerangriff auf zwei Menschen in Hamburg verübt zu haben. „Wir nehmen die Mitteilung zur Kenntnis und müssen den Inhalt genau auf seine Verlässlichkeit hin prüfen“, sagte der Sprecher.
Die Polizei hatte am 17. Oktober eine Mitteilung zu der Tat vom Vorabend in der Hamburger Innenstadt herausgegeben. Hinweise auf einen extremistischen Hintergrund des Täters gab es damals anscheinend nicht. Demnach hatte sich das Verbrechen gegen 22 Uhr unter der Kennedybrücke ereignet, wo die beiden Jugendlichen am Alsterufer saßen.
Unvermittelter Angriff
Nach bisherigen Erkenntnissen der Mordkommission wurde der 16-Jährige unvermittelt von einem Unbekannten hinterrücks angegriffen und mit mehreren Stichen verletzt, vermutlich durch ein Messer. Der Junge starb kurz darauf im Krankenhaus an seinen schweren Verletzungen. Das 15-jährige Mädchen konnte sich nach Polizeiangaben selbst ans Ufer retten.
Die von Amak zunächst auf Arabisch und Englisch verbreitete Mitteilung ließ offen, ob die angeblichen Opfer verletzt oder getötet wurden. Die gewählten Formulierungen lassen keinen eindeutigen Schluss zu. Weiter heißt es darin, der „Soldat“ des IS habe die Attacke „als Reaktion auf die Aufrufe ausgeführt, Bürger der Koalitionsländer (gemeint ist anscheinend das internationale Bündnis gegen die Terrormiliz) anzugreifen“. Mit derartigen Aufrufen hat der Islamische Staat seine Anhänger in der Vergangenheit wiederholt zu Gewalt angestachelt.
Die nun verbreitete Nachricht des IS-Sprachrohrs konnte zunächst nicht unabhängig verifiziert werden. Üblicherweise reklamieren die Extremisten aber über die Kanäle von Amak Anschläge für sich.
Rätselhaftes Motiv
Nach dem Verbrechen am Alsterufer hatte die Polizei ursprünglich mitgeteilt, der mutmaßliche Täter sei schätzungsweise 23 bis 25 Jahre alt und 1,80 bis 1,90 Meter groß gewesen. Nach der Tat sei er davongelaufen. Von dem Angreifer und der Tatwaffe fehlte trotz intensiver Suche bislang jede Spur. Das Motiv gab den Ermittlern Rätsel auf. Am vergangenen Donnerstag stellten Beamte das Tatgeschehen am Alsterufer nach, um weitere Hinweise auf den Ablauf zu bekommen.
Dass die Islamisten des IS auch Deutschland im Visier haben, hatte sich in jüngster Zeit mehrfach gezeigt. Zuletzt sorgte der Fall des Syrers Dschaber al-Bakr für Aufsehen, der sich schon Sprengstoff besorgt hatte, um den Ermittlern zufolge einen Berliner Flughafen anzugreifen. Al-Bakr erhängte sich kurz nach dem Zugriff in seiner Zelle. Im Juni flog eine mutmaßliche IS-Terrorzelle auf, die einen Anschlag in der Düsseldorfer Altstadt geplant haben soll.
In Ansbach sprengte sich im Juli ein Syrer auf einem Platz vor einem Musikfestival in die Luft und verletzte 15 Menschen. Knapp eine Woche zuvor war ein 17-Jähriger aus Afghanistan bei Würzburg mit Axt und Messer in einer Regionalbahn auf Fahrgäste losgegangen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Haftbefehl gegen Netanjahu
Sollte die deutsche Polizei Netanjahu verhaften?
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“
Deutscher Arbeitsmarkt
Zuwanderung ist unausweichlich
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
Stellenabbau bei Thyssenkrupp
Auf dem Rücken der Beschäftigten