Merkel und Steinbrück bei G20: Die große Peer-und-Angie-Show
Beim Treffen der G 20 zelebrieren die Kanzlerin und ihr Finanzminister Harmonie. Beide sind davon überzeugt, dass ein Wahlkampf gegen die große Koalition beiden schadet
Es war der ungewöhnliche Abschluss eines ungewöhnlichen Wahlkampfs. Nicht auf deutschen Marktplätzen fand er statt, sondern mehr als acht Flugstunden weiter westlich in einer früheren Stahlstadt am Ohio River. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) absolvierten im amerikanischen Pittsburgh am Freitag ihre letzten großen Auftritte vor den Fernsehkameras, bevor am Sonntag um acht Uhr die deutschen Wahllokale öffnen.
Regieren bis zum letzten Tag, das ist die Botschaft, die Merkel und Steinbrück vom Gipfeltreffen der G 20 in die Heimat schicken. Zwei Politiker, die schon immer davon überzeugt waren, dass ein Wahlkampf gegen die große Koalition keiner der beteiligten Parteien Prozente bringt. Für Steinbrücks SPD war das sowieso die einzige Option. Nach Merkels Analyse führt für die Union auch der Weg zu Schwarz-Gelb nur über großkoalitionäre Harmonie. Den Kurs hat sie, trotz aller Kritik, durchgehalten bis zum Schluss.
Zwei Tage lang zelebrierten beide noch einmal die große Peer-und-Angie-Show. Einträchtig stehen sie kurz vor dem Abflug vor der blauen Wand im Kanzleramt. Wie auf einem Familienausflug sitzen sie wenig später im Regierungsflugzeug, der Minister im offenen karierten Hemd, die Kanzlerin im schwarzen Reisepulli. Am Abend, als das Ringen ums Kommuniqué gelaufen ist, sitzen sie im Raum "Symphony" ihres Hotels und freuen sich über den gemeinsamen Erfolg. G 20 als Weltregierung etabliert, dazu Eigenkapitalregeln begrenzt, Vergütungspraktiken reguliert, Bilanzierungsregeln verschärft: Das eine war zwar absehbar, das andere steht vorerst nur auf dem Papier - fürs Wahlvolk in der Heimat aber ist es durchaus vorzeigbar.
Von einer weltweiten Steuer auf Finanzgeschäfte allerdings, dem deutschen Wahlkampfhit der letzten Stunde, ist beim Gipfelabschluss keine Rede mehr. Steinbrück hatte sie vorgeschlagen, Merkel war in bewährter Manier aufgesprungen. Immerhin: Beide haben das Thema erwähnt. Ob Deutschland das wirklich ernst meine, erkundigten sich die Briten hinterher.
Fragen nach dem bevorstehenden Wahlsonntag wehrte das Duo ab, als wüssten sie gar nicht, wovon die Journalisten sprechen. Merkel versuchte es indirekt. "Ich habe dem chinesischen Präsidenten versucht zu erklären, wie das bei uns mit Koalitionen ist", berichtete sie schmunzelnd. Steinbrück wiederum wollte nichts davon wissen, dass dies seine letzte Reise mit der Kanzlerin gewesen sei: "Wie kommen Sie denn auf die Idee?"
Gleich nach der Landung waren Merkel und Steinbrück, natürlich gemeinsam, zu einem Treffen mit internationalen Gewerkschaftern geeilt. Ein Symbol, auch für die Wahl in Deutschland. DGB-Chef Michael Sommer revanchierte sich für die Geste mit einem Lob. "Je weiter man aus Deutschland weg ist, desto besser ist der Ruf der Bundesregierung", sagte er über das Krisenmanagement des Berliner Duos. Eine Wahlempfehlung für die große Koalition sei das nicht, schob er treuherzig hinterher. Aber wie sollte man die große Koalition auch wählen?
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!