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Merkel bei Anne WillÜberschätzt trifft unterschätzt

Anne Will stellt die falschen Fragen, Angela Merkel gibt die richtigen Antworten und pariert alle Verbalangriffe. Sie wirkt auf wurschtige, eigensinnige Art souverän.

Nun, liebe Anne, gib fein acht! Die Kanzlerin erklärt die Krise. Bild: ap/ndr

Neulich war Barack Obama bei dem Talkmaster Jay Leno. Es ging meist ernst zu. Die Zeiten sind so. Außerdem war noch nie ein amtierender US-Präsident in einer Talkshow. US-Präsident zu sein gilt ja als bedeutender, auratischer als zum Beispiel Bundeskanzlerin. Irgendwann fragte Leno nach dem Hund, der Obamas Kinder versprochen worden war. Der Präsident antwortete: "Hören Sie, wir sind hier in Washington. Das war ein Wahlversprechen." "Wow", murmelte Leno, der nicht so richtig wusste, welche Richtung dieser Dialog nimmt. "War nur ein Witz. Der Hund kommt nach dem Nato-Gipfel", sagte Obama.

Nur ein Witz. Eine Bagatelle. Aber deutsche Politiker, die eine eher peinliche Human-Interest-Frage (Hund) mit eleganter Selbstironie (Wahlversprechen) zu kontern verstehen, kann man an einer Hand abzählen.

Sonntagabend war Angela Merkel bei "Anne Will". Elegante Dialoge gab es nicht, Selbstironie auch nicht. Man konnte trotzdem etwas erfahren. Zum Beispiel, dass man Angela Merkel nicht unterschätzen sollte. Und Anne Will nicht überschätzen.

Die Inszenierung war klar. Die Journalistin treibt die Politikerin mutig in die Ecke und bringt sie mit scharfen Fragen in Verlegenheit. Das ist im Moment bei Merkel nicht besonders schwer. Die Kanzlerin schwebte drei Jahre lang über den Niederungen der Tagespolitik. Bis vor Kurzem fiel in der Presse kein böses Wort über sie. So nett waren deutsche Medien noch nie zu Mächtigen gewesen. Das ist vorbei.

Die Krise hat Merkel hart getroffen. Die Umfragewerte der Union sinken, in der Union rumort es, die CSU holzt so wie seit den Zeiten von Franz Josef Strauß nicht mehr gegen die CDU. Sogar die SPD muckt auf. "Schlagen Sie nie zurück?", fragt Will. "Jeder hat seine Art, zurückzuschlagen", sagte die Kanzlerin etwas trotzig. "Schweigen kanns auch mal sein." Das ist wohl als Drohung zu verstehen - an SPD, aufmüpfige CDUler, CSU. Die Rechnungen kommen noch.

Will zischt die Namen Seehofer und Steinmeier, fragte, ob Kritik am Papst denn erlaubt sei, sie fragt nach Opel, nach der Hypo Real Estate und dem Bund der Vertriebenen. Die Moderatorin ist mit Einspielfilmen und Zetteln bewaffnet. Ihre Augen blitzen angriffslustig. Aber all diese rhetorischen Angriffe verpuffen. Die Kritikinszenierung kollabiert, als eine stammelnde Opelaner-Familie ins Gefecht geführt wird, die keinen vernünftigen Satz herausbekommt. Ohne solche Täter(herzlose Politiker)-Opfer(leidende Bürger)-Inszenierungen kommt kaum noch eine Politshow aus. Je mehr man von diesen Authentizitätsarrangements gesehen hat, umso finsterer ist man entschlossen, sich auf die Seite der Politiker zu schlagen.

Merkel tut angesichts dieses leer drehenden Themenzappings, was sie am besten kann; aussitzen, abfedern, ausweichen. Nach stolperndem Beginn hat sie ein, zwei Lacher auf ihrer Seite. Sie wirkt auf eine wurschtige, eigensinnige Art souverän. Die Krise, sagt sie immer wieder, zwinge uns dazu, Dinge zu tun, die wir nicht wollen, aber die nötig sind. Einmal verhaspelt sie sich und nennt sich "Staatsoberhaupt". Ein Versprecher, aber einer, der passt. Denn in ihrem Selbstbild ist Merkel Präsidentin, die das Ganze im Blick hat und über dem kleinkarierten Parteienstreit thront. So wie vor ein paar Monaten noch. Merkel hat beim Konjunkturpaket so lange gezögert, bis es nicht mehr anders ging. Kürzlich hat sie beim Treffen mit der Wirtschaft verkündet, niemand wisse, wie tief diese Krise sei. Und dass Deutschland kein drittes Konjunkturpaket braucht. Das schließt sich logisch eigentlich aus. Doch Merkel inszeniert sich hier als perfekte Krisenkanzlerin, und der Moderatorin fällt dazu nichts ein.

Dabei ist Merkel auch mit ihrer Art, still und effektiv Macht auszuüben, in der letzten Woche furios gescheitert. Sie hat als Kanzlerin beim Arbeitsminister ein Gesetz zu Jobcentern in Auftrag gegeben - und dann, weil die Unionsfraktion rebellierte, selbst dagegen gestimmt. Die SPD ist seitdem fassungslos - vor Glück, es nicht mehr mit der Unangreifbaren zu tun zu haben, sondern mit einer wankenden Kanzlerin. Die Öffentlichkeit hat diese Niederlage nicht wirklich bemerkt. Anne Will auch nicht.

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21 Kommentare

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  • V
    vic

    @Clauser

    Das hier ist die taz. Das gibt nicht viel Applaus.

  • SS
    Schade schade

    Das "Versagen" von Anne Will hat System. Diese Sendung kann man mit einer öffentlich rechtlichen Bedürfnisanstalt vergleichen. Bei dieser Art der Hofberichterstattung und wird traditionell viel Senf verschüttet. Die Moderatoren sind vom Politzirkus korrumpiert, wer wirklich gezielte und bissige Fragen stellt bekommt bald keine Gäste mehr und wird auch nicht zu den Partys mit Schnittchen eingeladen.

     

    Mutter Blamage tat was sie immer tut und hinten, also am Ende, ist nix dabei rausgekommen. Schade

  • CZ
    carmen zedler

    ...wir haben es doch immer noch mit der uns hinlänglich bekannten,oft kritisierten deutschen fernsehwelt zu tun,und da hat profil schon lange nichts mehr zu suchen -nicht auf der einen und nicht auf der anderen seite.

  • A
    anke

    Ich fürchte, der Beruf des (Fernseh-)Journalisten im Allgemeinen und die Moderatorin Anne Will im Speziellen werden tatsächlich hoffnungslos überschätzt. Wer annimmt, irgend jemand könnte im (Fernseh-)Interview irgend jemandem Informationen entlocken die irgendwie erhellend sind, der kann nicht all zu viel Ahnung haben. Vom Journalismus nicht, von der (Bundes-)Politik nicht, und vom Medium Fernsehen auch nicht.

     

    Ob Angela Merkel unterschätzt wird oder nicht, werden weder Journalisten (welcher Qualität oder Spezialisierung auch immer) noch ihre Zuschauer jemals herausfinden. Und - Hand aufs Herz: Es interessiert ja auch gar niemanden. Nicht wirklich jedenfalls...

  • B
    Bullenstaat

    Ich kann Eisvogel nur zustimmen, bei aller Kritik die man an Anne Will üben kann, der Kommentar von Clauser ist nichts weiter als sexistisch und homophob und damit an Blödheit nicht zu überbieten. Dass man sowas in der taz zulässt ist eigentlich unglaublich, habt Ihr keine Moderatoren? Und kommt mir nicht mit Meinungsfreiheit oder ähnlichen Apologismen, ein solcher Post gibt keine Meinung wieder sondern nur die Dummheit und Ignoranz seines Verfassers.

  • S
    Skeptiker

    den Kommentar von Clauser finde ich einfach nur geschmacklos !

    Niemand hätte einem männlichem Moderator so etwas unterstellt!

     

    Was Merkel betrifft kann ich nur sagen, dass es ihre eigenen Bubis sind, die ihr das Messer ins Kreuz hauen* denke da ist viel Eifersucht dabei*

     

    Und noch ein Wort zur Krise. Die hätte bereits zu Schröders Zeiten schon erkannt werden können. Der Neoliberalismus, agressiver Kapitalismus und nicht zu letzt, die unsägliche Verteilung von unten nach Oben(Steuergeschenke an Unternehmen) wird seit ca. 10 Jahren schon beklagt.

    Angie hat in gewisser weise pech, dass sie den Krempel jetzt an der Backe hat, was jahrelang

    verhundst wurde

  • AD
    Axel Dörken

    so lange genug Menschen diese Art Ferneehen zu machen mit ihrem Einschalten unterstützen, wird es gau so weitergehn, wie es weitergeht, so lange genug Wähler nicht wählen (und damit die gewählten unterstützen) und andere Wähler die wählen, die sie wider belügen werden.

     

    Eigenverantwrotung ist das Schlüsselthema!

     

    Doch was tun, wenn das Denken verlernt worden ist und die Fernbedienung so nahe liegt?

  • F
    freies-denken

    Die Sendung "Anne Will"ist eine sinnentleerte zerredende Propaganda Show. Das der Besuch von Frau Merkel in der Show nix daran ändert, war wohl abzusehen... Viel blaaa ohne Substanz

  • C
    Carlo

    "Die Öffentlichkeit hat diese Niederlage nicht wirklich bemerkt. Anne Will auch nicht."

     

    Die sog. Öffentlichkeit hat einiges andere nicht bemerkt. Bei Gysis Stasi-Verquickungen jaulte diese "Öffentlichkeit" auf, IM Erika Merkels "Verdienste" sind offensichtlich Tabuthema. Warum eigentlich?

     

    http://schweizmagazin.ch/news/336/ARTICLE/4283/2008-05-29.html

     

    btw, was meint unsere Bundesphysikerin und Weltklimaretterin dazu, daß seit nunmehr 10 Jahren keine Erderwärmung stattfindet?

  • S
    Subzero

    Ich glaube, dass das "Versagen" von Anne Will mehr eine Konsequenz der Logik der politischen Talkshow und des Fernsehens ist, als das Problem einer minder talentierten Moderatorin.

    In dem Moment, in dem sich eine solches Gespräch im thematischen Klein-Klein festbeißt, verliert wahrscheinlich ein Großteil der Zuschauer das Interesse. Klar wurde hier zu sehr auf plakativ-provozierende Fragen gesetzt und zu wenig nachgehackt, aber es wäre naiv zu glauben, eine Angela Merkel hätte sich von weiteren Nachfragen aus der Reserve locken lassen. Das Wiederum ist eine Konsequenz der Logik des Politischen.

  • E
    Eisvogel

    Was soll so ein auf die Sexualität der Moderatorin anspielender und somit latent homophober Beitrag von Clauser hier?

     

    Ist das hier ein Forum wo das absprechen von Sachlichkeit (das an sich erlaubt ist) sich argumentativ auf die Homosexualität einer Person stützen darf?

  • MF
    Martin Fassner

    Endlich ein Artikel, der wiedergibt, was tatsächlich gelaufen ist bei Anne Will. Keine andere deutsche Tageszeitung war dazu in der Lage! Frau Will hat in süffisanter Pose eine Reihe von pseudoprovokativen langweiligen Fragen abgelesen und die Kanzlerin hat das Beste draus gemacht. Wie Sie ganz richtig feststellen, schlägt man sich als Zuschauer angesichts von derart billiger Showdown-Inszenierung auf die Seite der Politiker. Dabei wäre es durchaus möglich, innerhalb einer Stunde ein interessantes und dynamisches Interview zu führen. Das müsste auch nicht unbedingt Schlag auf Schlag gehen. Denn wenn man das Pingpongspiel nicht beherrscht, und Frau Will hat "schöne, braune Rehaugen" aber null Schlagfertigkeit, sollte man es sein lassen. Aber dazu fehlt der Moderatorin weit mehr als der Kanzlerin die nötige Distanz und Ironie zu sich selbst.

  • A
    Amos

    Merkel hat ja ihren "Ziehvater" zitiert: Wichtig

    ist was hinten raus kommt. Das sagt ja schon alles.

    Was ist bei Kohl raus gekommen? Die Wiedervereinigung?-,dafür konnte er selbst nichts.

    Jetzt will sie wieder mit den Leuten zusammen regieren wo Kohl mit negiert hat. Also was da hinten

    rauskommt ist doch bereits klar-,nämlich Exkremente

  • JS
    Jack Salinger

    Diese Kanzlerin hat sich getraut, der versammelten Bankerelite zu sagen, so geht das nicht weiter. Das ist lächerlich. Sie hätte diesen Gaunern sagen müssen, dass sie mit ihren unverdienten Millionen in ihren Luxusvillen sich immer noch wie die Könige der Welt fühlen, während sie bei abermillionen von Menschen auf der ganzen Erde entsetzliches Leid angerichtet haben, das noch viele Jahre andauern wird. Und sie hat nicht gesagt, dass die Politiker daran kräftig mitkassiert haben. Was sollen wir mit so einem Pack, das sich nur an uns bereichert und wir dabei zugrunde gehen. Die Franzosen machen es vor - der sexgeile Zwerg Sarkozy steht bald am Pranger. Kann man nur hoffen, dass der Rest der Führungselite Europas ihm Gesellschaft leistet.

  • V
    vic

    "Sie wirkt auf wurschtige, eigensinnige Art souverän."

    Das trifft auf ziemlich jede Marktfrau in meinem Wohnort zu.

    Aber will ich sowas als Kanzlerin?

    Nö, will ich nicht.

  • MF
    Martin Fassner

    Endlich ein Artikel, der wiedergibt, was tatsächlich gelaufen ist bei Anne Will. Keine andere deutsche Tageszeitung war dazu in der Lage! Frau Will hat in süffisanter Pose eine Reihe von pseudoprovokativen langweiligen Fragen abgelesen und die Kanzlerin hat das Beste draus gemacht. Wie Sie ganz richtig feststellen, schlägt man sich als Zuschauer angesichts von derart billiger Showdown-Inszenierung auf die Seite der Politiker. Dabei wäre es durchaus möglich, innerhalb einer Stunde ein interessantes und dynamisches Interview zu führen. Das müsste auch nicht unbedingt Schlag auf Schlag gehen. Denn wenn man das Pingpongspiel nicht beherrscht, und Frau Will hat "schöne, braune Rehaugen" aber null Schlagfertigkeit, sollte man es sein lassen. Aber dazu fehlt der Moderatorin weit mehr als der Kanzlerin die nötige Distanz und Ironie zu sich selbst.

  • TT
    Thomas Thraen

    Auch wenn Frau Merkel nicht Staatsoberhaupt ist, so ist sie dennoch Bundeskanzlerin. Überwiegend peinlich fand ich die journalistische, oft von rein provokant-belanglosen inquisitorischen Fragen geprägten Inhalt von Frau Will. Wichtig ist mir an dieser Stelle zu bemerken, mit welcher Respektlosigkeit hier eine Journalisten und Fernsehmoderatorin mit einer hochverantwortlich tätigen Person umgeht. Wo bleibt da der Anstand und die Achtung vor dem aktuell und auch sonst extrem schweren Amt.

    Welches Vorbild geben wir der Bevölkerung und auch unseren Kindern.

    Frau Will sollte mal einen Tanzstundenkurs mit Benimm-Unterricht absolvieren.

    Peinlich, peinlich.

    Thomas Thraen

  • MF
    Mark Fischbach

    Das ist mir alles zu sehr fixiert auf einzelne Personen. Ist Herr Steinmeier überzeugender als Frau Merkel?

    Wer links steht, wird weder CDU/CSU noch FDP wählen, egal wie gut oder schlecht Frau Merkel bei Frau Will rüberkonmmt.

  • PK
    petra kelly

    Angie wirkt einfach nur beleidigt. Gerade jetzt muss die Krise kommen, wo sie die Bundeskanzerlin ist.... das ist einfach supergemein. Deshalb ist sie so extrem genervt. Denn das bedeutet, dass historisch gesehen dann doch vielleicht nix Herausragendes über sie in den Geschichtsbüchern stehen wird. Der ganze Einsatz umsonst...! Ich fand, dass sie in dem Talk so rüberkam, als würde ihr nun selbst klar, dass es langsam wirlich jedem noch so Gutmütigen auffallen muss, wie viele Leerstellen sie mit Floskeln füllt und dass taktierende Phrasendrescherei eben nicht zu einer konstruktiven Leistung, die sie im übrigen permanent von den anderen einfordert, beiträgt. Zielführendes Verhalten statt Abblocken wäre eine echte Alternative. Aber vielleicht ist sie einfach amtsmüde und überfordert.

  • IN
    Ihr Name WF

    Frau Merkel ist das was sie immer war, nur vor Jahren hat ein Mensch gemeint, sie hätte einen starken Willen, doch jetzt kommt der Mensch zum Vorschein und dieser ist einfach dreist, trotzig und frech oben drein und richtet sich nach der Windfahne. Armes Deutschland, hast du dies wirklich verdient? Nun kommt sie mit ihrer Klein Mädchen Tour nicht mehr an, die Probleme die sie auch mit geschaffen hat wachsen ihr über den Kopf, Zeit dass sie abdankt.

  • C
    Clauser

    Selten sah man Anne Will so verliebt aus den Rehaugen schauen. Da wirkte wohl die Erotik der Macht.