: Menstruation Superstar
Mit ihrem Film „Red Cunt“ hat Toti Baches das Tabu der Regelblutung gebrochen. Dabei respektiert er Schamgrenzen und ist so konzipiert, dass ihn auch Zehnjährige anschauen können. In Hamburg kommt er jetzt anlässlich des Welttags der Menstruation noch einmal ins Kino

Von Wilfried Hippen
Eine Gruppe junger Frauen trinkt gemeinsam in Feierlaune eine rote Flüssigkeit aus Menstruationstassen. Eine Wrestlerin zwängt sich in ein kompliziertes Kostüm, in dem sie dann als weibliches Geschlechtsorgan (mit Spritzvorrichtung) gegen einen männliche Phallus in den Ring steigt. Ein Transmann erklärt, warum er sich bei seiner Geschlechtsumwandlung dafür entschieden hat, auch weiterhin zu menstruieren.
„Was Sie schon immer über Menstruation wissen wollten, aber bisher nicht zu fragen wagten!“ wäre ein passender Alternativtitel für diesen Dokumentarfilm, den die Hamburger Filmemacherin Toti Baches über die Monatsblutungen gemacht hat. Aber „Red Cunt“ trifft den Kern des Films viel besser, weil er provoziert. Denn damit macht er deutlich, dass es hier darum geht, ein Tabu zu brechen.
Aber ist „cunt“ nicht ein sexistisches Schimpfwort? Toti Baches ist da schon einen Schritt weiter: Sie hat herausgefunden, dass der Begriff ursprünglich auf den Namen der Hindu-Göttin „Kunti“ zurückgeht, die Liebe, Mutterschaft und Schönheit verkörpert und dass er dann später antifeministisch umgedeutet wurde.
Filmvorführung und -gespräch zum internationalen Tag der Menstruationshygiene, mit Regisseurin Toti Baches, Abaton, Hamburg, Allendeplatz 3, 28. 5., 18.30 Uhr
Ihr Film bietet ein paar von solchen Aha-Erlebnissen. So ergibt es zum Beispiel viel mehr Sinn, die Menstruation nicht als eine Art monatlich wiederkehrender Krankheit, sondern als ein Symptom der Gesundheit anzusehen, denn solange eine Frau menstruiert, kann sie schwanger werden. Darum weigert sich der oben erwähnte Transmann auch, mit einer Hormonbehandlung die Monatsblutungen zu unterdrücken: Das wäre nämlich ein endgültiger Verzicht darauf, irgendwann einmal im Leben Kinder zu bekommen. „Red Cunt“ ist der erste Teil einer Trilogie von Filmen zu den tabuisierten M-Wörtern Menstruation, Masturbation und Menopause. Toti Baches kam auf die Idee, als sie ihre zehnjährige Tochter über die Menstruation aufklären wollte und merkte, wie schwierig dies war. Auf einer Ebene ist „Red Cunt“ dann auch tatsächlich zu einer Art von „Lach- und Sachgeschichte“ geworden, denn Baches hat einen Teil des Films in einem kindgerecht bunten Stil animiert.
Da umschwirrt dann ein kleines Menstruationsengelchen mit dem Namen Mensi ein kleines Mädchen, das sich erschrickt, als seine ersten Blutungen seine Hose durchnässt. Mensi ist auch dann keine große Hilfe, wenn das Mädchen in der Schule von den anderen Schüler*innen lächerlich gemacht wird, weil es seine blutige Binde in der Toilette liegen lässt. Dies ist Toti Baches Tochter tatsächlich passiert, und auch später nutzt sie die animierten Passagen ihres Films, um persönliche Erfahrungen mit der Menstruation (wie etwa abschätzige Bemerkungen eines Vorgesetzten während eines Büro-Meetings) erzählen und bebildern zu können.
Sehenswert wird der Film aber durch die Sequenzen, in denen Toti Baches menstruierende Menschen besucht, die versuchen die herrschenden Vorurteile zu dem Thema zu korrigieren. Dazu gehört die trinkfreudige Gruppe von jungen Frauen, die sich gebildet hat, um Erfahrungen mit der Regelblutung auszutauschen und Tipps zu geben. Da wird etwa das Verwenden von sogenannten Mooncups propagiert, die eine sowohl die Umwelt wie auch den weiblichen Körper schonende Alternative zu Binden und Tampons sind. Und überraschend intensiv gerät im Film der Besuch bei einer Beraterin, die mit zwei Frauen ein sogenanntes „Vulva-Watching“ veranstaltet, bei dem Frauen jeweils die Vagina der anderen betrachten. Eine der Frauen ist von dieser für sie neuen Erfahrung so überwältigt, dass sie zu weinen beginnt. Diesen sehr intimen Moment hat Toti Baches mit viel Einfühlungsvermögen und Taktgefühl gefilmt und geschnitten. Und auch sonst verzichtet die Filmemacherin auf Bilder, die die Schamgrenze der einen überschreiten oder die Schaulust der anderen befriedigen könnten. Toti Baches hat ihren Film so konzipiert, dass sie ihn damals auch ihrer zehnjährigen Tochter hätte zeigen können.
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