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Menschenrechte stehen am Rande

Gegen den Besuch des chinesischen Staatspräsidenten Jiang Zemin regt sich nur geringer Protest / Die Bundesregierung setzt in der Menschenrechtsfrage auf stille Diplomatie  ■ Aus Bonn Hans Monath

Der Gast trägt Verantwortung für schwerste Menschenrechtsverletzungen, zur Symbolgestalt des Bösen taugt er jedoch nicht. Vor einem Jahr sorgte der chinesische Premierminister Li Peng noch für einen Eklat, als er sich bei seinem Deutschlandbesuch durch friedliche Proteste provoziert fühlte. Beim gestrigen Bonn-Programm Jiang Zemins, der als erster Staatspräsident Chinas nach dem Massaker am Platz vom Tiananmen an den Rhein reiste, klangen die Proteste der Menschenrechtler nur noch wie ein bekanntes Störgeräusch.

„Jiang Zemin hat eine bessere Reputation als Li Peng, er ist durch das Massaker vom Tiannanmen nicht persönlich belastet“, räumte Klemens Ludwig von der deutschen Tibet-Initiative ein, die gestern an die kulturelle und ökologische Zerstörung des ehemaligen Königreichs erinnerte. Gemeinsam mit Interessenvertretern anderer unterdrückter Minderheiten aus dem Reich der Mitte formierten sich die Tibet-Freunde gestern gegenüber dem Kanzleramt zum ironisch gemeinten „Jubelspalier“ für den Staatsgast. Die rund hundert DemonstrantInnen schwenkten dabei Papierfähnchen mit der in China streng verbotenen tibetischen Flagge.

Die chinesische Delegation schien von den gegen sie gerichteten Protesten nichts mitzubekommen. Außenminister Quian Quichen dankte sogar ausdrücklich dafür, daß das deutsche Volk die Gäste überall herzlich aufgenommen habe.

Doch herzlich waren nicht alle. Jiang Zemin sei „kein Saubermann“, hatten die Jungen Liberalen die Regierung vorsorglich gewarnt. Der Bundesvorstand der Grünen erklärte den Staatsgast gar zum „Stalin Chinas“ und zur unerwünschten Person in Deutschland: Angesichts seiner Verantwortung für schwere Menschenrechtsverletzungen sei es ein „Skandal, daß er auch nur einreisen darf“.

Welchen Stellenwert die Gastgeber den Protesten gegen Massenexekutionen, Arbeitslager und Unterdrückung der Meinungsfreiheit einräumen, hatte Außenminister Klaus Kinkel schon im Voraus deutlich gemacht: „Wir sprechen mit den Chinesen offen über Menschenrechtsfragen, aber wir stellen das nicht in den Mittelpunkt unserer Gespräche.“

Auf offener Bühne wurde denn gestern nur der Abschluß deutsch- chinesischer Wirtschaftsprojekte im Wert von zwei Milliarden Mark gewürdigt. Beim Nebenthema Menschenrechte beschränkten sich die Gastgeber Kohl, Herzog und Kinkel auf „stille Diplomatie“: Nur hinter verschlossenen Türen konfrontierten sie die Gäste mit unangenehmen Wahrheiten, damit diese ihr Gesicht wahren konnten. Anhand von Listen erkundigten sich die Deutschen nach dem Schicksal bekannter politischer Gefangener in China.

Die Vorsicht hängt auch damit zusammen, daß die Regierung des weltweit größten Wirtschaftmarktes noch immer von der Furcht umgetrieben wird, sie könne Opfer einer internationalen anti-chinesischen Verschwörung werden. Noch ist unklar, welche Rolle die künftige politisch-militärische Weltmacht einmal in der globalen Ordnung einnehmen wird. Ähnlich wie die EU-Kommission setzt die Bundesregierung darauf, daß eine wirtschaftliche Öffnung China an internationale Standards bindet und auf längere Sicht auch eine politische Liberalisierung unvermeidlich macht.

Die Kritiker der Bonner China- Politik sprechen sich denn auch nicht explizit gegen die Wirtschaftsbeziehungen aus. Allerdings fordern sie die Industrienationen auf, die Förderung der Geschäfte an Fortschritte bei den Menschenrechten zu koppeln. Die Regierung in Peking könne man nur „dort treffen, wo es ihr weh tut: bei den wirtschaftlichen Interessen“, erklärte die Tibet-Initiative.

Die harte Kritik an dem Hauptverantwortlichen für das Tiananmen-Massaker hat auch die Thüringer Justiz ein Jahr nach dem Besuch Li Pengs für zulässig erklärt. Nach den Protesten in Weimar hatte die Staatsanwaltschaft dort gegen die Grünen-Fraktionsvorsitzende im Thüringer Landtag, Christine Grabe, und gegen den heutigen Bundesgeschäftsführer der Jungen Union, Michael Panse, wegen „Beleidigung eines ausländischen Staatsgastes“ ermittelt. Die Bezeichnung „Mörder“ für den Staatsgast, so erklärte nun ein Justizsprecher, war durch das Recht auf freie Meinungsäußerung gedeckt.

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