Menschenrechte in Georgien: Noch ein Schlag
Die Regierung will mit einem Gesetz eine staatliche Stelle stoppen, die sich um Rechtsverstöße kümmert. Ein Ziel ist auch, das Personal loszuwerden.
Quasi aus dem Nichts zog der KO in dieser Woche einen Gesetzentwurf aus der Tasche, der die „Staatliche Beobachtungsstelle“ zum Schutz von Menschenrechten in seiner bisherigen Form abschafft. Das Gremium hatte sich bislang um Fragen des Datenschutzes sowie um Untersuchungen bei schweren Rechtsverletzungen vonseiten der Behörden gekümmert.
An seine Stelle sollen nun zwei Agenturen treten, die im wesentlichen dieselben Aufgaben haben. Doch offensichtlich geht es bei dem Manöver um etwas anderes. Sollte der Gesetzentwurf durchs Parlament gehen, wären auch alle Mitarbeiter*innen des Dienstes ihren Posten los.
Die Chefin der Beobachtungsstelle, Londa Toloraia, sieht hinter der „Umstrukturierung“, die in die Ferienzeit vieler internationaler Organisationen fällt, politische Motive. Es gehe hier nicht um eine Reform, sondern darum, die Institution wegen ihrer Unabhängigkeit zu bestrafen, wird sie von dem unabhängigen Nachrichtenportal oc-media.org zitiert.
Verschleppte Ermittlungen
In der Tat hat sich das Gremium seit seiner Gründung im November 2019 mit Vorfällen beschäftigt, die der Regierung unangenehm sein dürften. So machte es im vergangenen August einen Bericht über das von der orthodoxen Kirche geführte Kinderheim Ninotsminda öffentlich, der schwere Verletzungen von Kinderrechten, darunter eine mutmaßliche Vergewaltigung, auflistet. Ermittlungsverfahren werden verschleppt.
Im vergangenen Jahr stelle die Beobachtungsstelle fest, dass sich die Polizei einer Verletzung des Jugendstrafrechts schuldig gemacht hatte. Es ging um einen 15jährigen, der sich nach stundenlangen Verhören in Zusammenhang mit Schmierereien in einer Schule das Leben genommen hatte.
Besonderen Unmut bei der Regierung dürfte auch eine Stellungnahme zum Fall des früheren Staatschefs Michail Saakaschwili hervor gerufen haben. Am 1. Oktober war Saakaschwili in Georgien festgenommen worden. Am 7. Dezember 2021 kam die Stelle zu dem Ergebnis, dass Saakaschwili in Haft misshandelt worden sei. Eine Untersuchung zu Foltervorwürfen läuft noch.
Der KO hat es offenbar eilig. Die Parlamentsabstimmung über das Gesetz soll noch in dieser Woche stattfinden. Der Vize-Ombudsmann Giorgi Burjanadze sagte dazu an die Regierung gerichtet: „Dieses ist ein klassisches Gesetz, das Menschenrechte verletzt. Mit dieser Entscheidung werden Sie in die Geschichtsbücher eingehen, aber das wird kein guter Teil der Geschichte sein.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann