piwik no script img

MenschenhandelMauretanien macht Sklaverei strafbar

Bisher waren Verbote der Leibeigenschaft wirkungslos. Jetzt stellen Regierung und Parlament die Sklaverei erstmals unter Strafe. Frei kommen die Sklaven dadurch aber nicht.

Unter seiner Herrschaft kam die Wende: Militärherrscher und Ex-Präsident Ould Taya. Bild: dpa

Auf Initiative des ersten demokratisch gewählten Präsidenten Mauretanien hat das Land als letztes der Welt die Sklaverei unter Strafe gestellt. Das Parlament in der Hauptstadt Nouakchott stimmte am späten Mittwoch einstimmig für einen von der Regierung eingebrachten Gesetzentwurf, der unter anderem Sklaverei mit bis zu zehn Jahren Gefängnis bestraft. "Wir sind sehr zufrieden", sagte Boubacar Ould Mesasoud, Präsident der Menschenrechtsorganisation SOS-Esclaves. "Das ist ein großer Sieg für die Demokraten und das mauretanische Volk."

Noch vor zehn Jahren war SOS-Esclaves verboten, und führende Mitglieder der Organisation wurden zu Gefängnisstrafen verurteilt, weil sie an einem TV-Dokumentarfilm über die andauernde Praxis der Sklaverei in Mauretanien mitgewirkt hatten. Das nordwestafrikanische Land gilt als das letzte der Welt, in dem Leibeigentum noch verbreitet ist und bisher nicht unter Strafe stand. Verboten ist die Sklaverei in Mauretanien schon seit 1981, aber das damalige Gesetz wurde nie umgesetzt. Menschenrechtler schätzen die Zahl der Menschen in Leibeigenschaft in dem Land auf rund 100.000 - bei einer Bevölkerung von gut 3 Millionen Menschen. Ein 2003 erlassenes Verbot des Sklavenhandels hatte keinen Einfluss auf den Status existierender Sklaven.

Mauretanien wird historisch von Nomadenclans der Mauren und Berber regiert, die schwarzafrikanische Bevölkerungen südlich der Saharawüste versklavten. Der erste europäische Sklavenkauf in Afrika wurde 1444 von Portugiesen an der mauretanischen Küste getätigt. Der Süden Mauretaniens, der an Senegal grenzt, wird mehrheitlich von schwarzafrikanischen Völkern bewohnt. Weiter zählt das Land eine bis zu 40 Prozent der Einwohner ausmachende Bevölkerung der Haratin, Nachkommen freigelassener Sklaven, die heute meist sehr arm sind.

Die ethnischen Beziehungen in Mauretanien sind seit langem angespannt. 1989 forderten wechselseitige Pogrome an Mauren in Senegal und an Senegalesen in Mauretanien hunderte Tote und zehntausende Vertriebene. Erst als Mauretaniens Militärherrscher Ould Taya 2005 von seiner Armee gestürzt wurde, bahnte sich eine Versöhnung an.

Das neue Gesetz wurde vom im März gewählten neuen Präsidenten Cheikh Ould Abdellahi selbst auf den Weg gebracht. Betont wurde vor allem, die Kriminalisierung der Sklaverei sei mit dem Islam konform.

Untersuchungen von SOS-Esclaves zufolge wird die Sklaverei in Mauretanien meist vererbt, und zwar mütterlicherseits - die meisten Leibeigenen des Landes sind Sklavinnen, und ihre Leibeigenschaft bedeutet, dass sie ihrem Eigentümer sexuell zur Verfügung stehen müssen. Als das neue Antisklavereigesetz ins Parlament eingebracht wurde, brachte die Tageszeitung Nouakchott-Info prominent auf Seite 1 die Geschichte der Sklavin Ghayba mint Hartan, die vor ihrem Besitzer geflohen und vor Gericht gezogen war, weil ihr Eigentümer ihre verheiratete Tochter zur Scheidung gezwungen hatte, um sie selbst zu behalten. "Der Sklavenhalter hält seine Opfer in geistiger Gefangenschaft und lässt sie glauben, er habe den Schlüssel, um sie ins Paradies oder in die Hölle zu schicken", schrieb das Blatt. "Aber in der Hölle sind sie ja schon."

Weiter bedeutet Sklaverei, so SOS-Esclaves weiter, dass Sklaven weder das von ihnen bebaute Land gehört noch die Ernte und dass ihr Eigentümer ihnen verbieten kann, zur Schule zu gehen oder zu heiraten. "Sklaverei ist der Zustand einer Person, auf die sich ganz oder teilweise die Attribute des Eigentumsrechts erstrecken", definiert das neue Gesetz.

Exilierte Haratin in den USA weisen jedoch darauf hin, dass das Gesetz nicht die Freilassung der existierenden Sklaven verfügt. Stattdessen sieht es lediglich vor: "Jede Diskriminierung von sogenannten Sklaven ist verboten." Weiter kritisiert SOS-Esclaves, dass "üble Nachrede" in Bezug auf Sklaverei mit bis zu fünf Jahren Haft bestraft werden kann. Wenn also ein Sklave vor Gericht seinen Status nicht beweisen könne, drohe ihm eine Klage seines Besitzers wegen "übler Nachrede". "Beweisen Sie, dass Sie Sklave sind!", titelte Nouakchott-Info einen Bericht. Regierungspolitiker nannten das Gesetz dennoch einen "Wendepunkt".

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!