■ Querspalte: Mensch Maschine Mogelpack
Mensch gegen Maschine! Das klingt im Jahre 12 nach Orwell wie David gegen Goliath, Kevin allein gegen den Taschenrechner oder Ost-Oma gegen West- E(n)kel. Und nach einem ziemlich einseitigen Publikum. Wer dem Rechner im Kampf gegen den Denker die Daumen drückt, ist ein Unmensch. Trotz Daumen!
Doch die politisch korrekte Maschinenkritik erweist sich bei subjektiver (also menschelnder) Betrachtung als Mogelpackung. Die beim 4:2-Erfolg des amtierenden Schachweltmeisters Garri Kasparow gegen seinen IBM-Herausforderer „Deep Blue“ (berechnet drei Millionen Positionen in einer Sekunde) in philanthropische Initiationsriten ausbrachen, tippexten damit nur den eigenen Knick im Bildschirm. Beim 400.000-Dollar-Kampf in Philadelphia trat nämlich gar nicht der beseelte Genius homini gegen die eiskalte Logik von 256 Mikroprozessoren an, sondern der Maschinenmensch gegen die Menschmaschine. Schachgroßmeister Maurice Ashley etwa attestierte dem Computer, er kämpfe nicht strategisch, sondern baue auf taktische Finessen, während es Kasparow offenbar gelungen sei, herauszufinden, in welchen Konfliktsituationen der Computer schlecht spiele. Was bitte ist hier Mensch, was Maschine?
Neu ist das alles nicht. Daß es durchaus fühlende Computer gibt, mußten wir zuletzt beim Telekom-Schmu am Neujahrstag zur Kenntnis nehmen, als der Gebührenrechner seinen Silvesterrausch ausschlief. Aber auch der Maschinenmensch begegnet uns täglich: in der Fernseh- Talkshow genauso wie beim Nahkampf in der zwischenmenschlichen Beziehung.
Bemerkenswert daran ist nur, daß im psychosozialökonomischglobalen Überlebenskampf Mensch gegen Unmensch mal wieder eine publicityträchtige Chance vertan wurde. Hätte Kasparow „Deep Blue“ einfach ausgelacht, ihm ein Glas Bier in den Lüftungsschacht geschüttet oder einen gut plazierten Bauern gegen einen subalternen Chip geopfert, hätte er mit Sicherheit das Prädikat „menschlich wertvoll“ verdient. So aber bleibt er nur Weltmeister. Uwe Rada
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