Meister Christoph im Frauenkollektiv

■ Tischlerinnen–Projekt „Kreischsäge“ in Bochum eröffnet / In der ganzen Bundesrepublik keine Schreinermeisterin gefunden / Landeszuschuß für die Betriebsgründung: „Origineller Weg aus der Arbeitslosigkeit“

Aus Bochum Corinna Kawater

Strahlende Gesichter bei den vier Schreinerinnen - und ihrem (männlichen) Meister. Knapp zwei Jahre hat sich die Vorarbeit hingezogen, bis sie die Sägen in ihrem selbstverwalteten, ökologisch orientierten Betrieb kreichen lassen konnten. Angesichts der soliden Maschinenausstattung, der geräumigen, hellen Werkstatt mit dem wohlriechenden Massivholzfußboden, der als erstes Produkt des neuen Betriebs dessen ökologische Ausrichtung klarmacht, gratulierten gestern nicht nur NRW–Wirtschaftsminister Jochimsen und der Bochumer Oberstadtdirektor Eickelbeck zu dem „originellen Weg aus der Arbeitslosigkeit“. Als solchen hatte das Wirtschaftsministerium die Betriebsgründung mit 350.000 DM bezuschußt. Die beiden Schreinergesellinnen Monika Fitzner und Uta Reinhardt, die Auszubildende Stephanie König und die Umschülerin Gudrun Siebert waren bislang arbeitslos, das Los der meisten Frauen in Handwerksberufen. Qualifizierte Arbeitsplätze für Frauen zur Vollendung ihrer dreijährigen Gesellenausbildung und Vorbereitung zur Meisterprüfung sind so gut wie nicht zu finden. Es bedurfte daher einiger Zähigkeit und Initiative bei den Frauen, um das Land, die Stadt Bochum, das Wirtschaftsförderungsamt, die Handwerkskammer und die Tischlerinnung zur Unterstützung des Projekts zu bewegen. Ein unlösbares Problem blieb jedoch, eine Schreinermeisterin zu finden. „Wir haben in der ganzen BRD gesucht und keine Frau gefunden“, sagt Gudrun Siebert, „da haben wir eben den Christoph genommen“. „Tja, den alten Schreinerspruch vier Mann, vier Ecken beim Anheben schwerer Teile kann ich ja hier nicht bringen“, grinst der Meister. Sein Titel wurde ihm mit einer großzügigen Vorweggenehmigung seitens der Bochumer Innung verliehen, um die Eröffnung des Betriebs zu ermöglichen. Christoph Peters Kollegen bei der Meisterschule finden sein Engagement im Frauenbetrieb „unbegreiflich“ - genauso wie die Mitschüler der Auszubildenden Stephanie König deren Arbeitsplatz. Auch die später so generöse Schreinerinnung war anfangs von der Gründungsidee der „Kreischsäge“ nicht begeistert und schimpfte über die „Wettbewerbsverzerrung und Subventionierung eines normalen Handwerksbetriebs“, erzählt Monika Fitzner. Doch so normal soll ihr Betrieb gar nicht werden. Das neue Schreinerinnenteam, das sich um Aufträge im Innenausbau und der Einzelmöbelanfertigung bemühen will, legt nämlich, anders als die meisten Werkstätten, großen Wert auf ökologisch verantwortlichen Umgang mit den Werkstoffen. „Wir wollen nicht bedenkenlos mit Chemie rumjauchen“, sagt eine der Frauen. Außerdem werden sie mit Massivholz arbeiten und dabei „möglichst einheimische Hölzer verwenden, um den Holzraubbau in der Dritten Welt nicht zu unterstützen“. Die Oberflächen ihrer Werkstücke werden sie mit biologischen Lacken, mit Leinöl und Wachs behandeln. Auch in der Organisation ihres Betriebs unter scheiden sie sich von den üblichen Schreinereien - die Betriebsentscheidungen werden bei der „Kreischsäge“ gleichberechtigt und kollektiv gefällt. Dem Kollektivmoment „gleicher Lohn für unterschiedliche Arbeit“ stehen allerdings die Förderrichtlinien des Modellprojekts entgegen. Diese sehen vor, alle MitarbeiterInnen streng nach Tarif zu bezahlen, doch allein die darin vorgesehene Löhnung des Meisters „bringt genug in den Gehaltstopf“, stellen sie augenzwinkernd fest.