Meinungswandel in USA und im Bund: Trend zum Konjunkturpaket
Der US-Notenbankchef plädiert für Hilfen für die Konjunktur - und Bush signalisiert plötzlich Zustimmung. Auch in Deutschland mehren sich die Forderungen nach staatlicher Ankurbelung der Wirtschaft.
NEW YORK/BERLIN ap/rtr/taz Die Sorge um eine Wirtschaftsflaute infolge der Finanzkrise wächst weltweit. In den USA und auch in Deutschland sollen Konjunkturpakete nun Abhilfe schaffen. Inzwischen werden diese auch von traditionellen Gegnern staatlicher Stützungsprogramme gefordert.
Der US-Notenbankchef Ben Bernanke etwa hat sich erstmals öffentlich hinter den Vorschlag nach einem staatlichen Programm zur Belebung der siechenden Konjunktur gestellt.
Angesichts des Risikos eines Abschwungs sei ein Paket zur Ankurbelung der Wirtschaft eine Überlegung wert, sagte er Montag vor dem Kongress in Washington. Ein derartiges Konjunkturprogramm wird bereits von den oppositionellen Demokraten gefordert.
Die Republikaner von Präsident George W. Bush standen dieser Idee bislang kühl gegenüber. Nach Bernankes Rede signalisierte der Präsident aber die Bereitschaft zum Einlenken. Bush sei nun offen für ein weiteres Konjunkturprogramm, sagte seine Sprecherin Dana Perino. Allerdings müsse zunächst abgewartet werden, wie das Paket genau aussehe, das der Kongress ausarbeiten will.
Die US-Börsen beflügelten nicht nur der Vorstoß Bernankes, sondern auch die Nachricht, dass die Kreditklemme in den USA nachlässt – offenbar leihen sich die Banken untereinander wieder Geld. Der Dow-Jones-Index schloss bei 9.265 Punkten und damit knapp fünf Prozent im Plus.
Die Republikaner um Bush mussten am Montag noch eine derbe Schlappe hinnehmen: Die Vereinten Nationen (UN) haben eine Expertengruppe ins Leben gerufen, die sich mit der weltweiten Finanzkrise auseinandersetzen soll. Vorsitzender soll ausgerechnet der amerikanische Wirtschaftswissenschaftler und Nobelpreisträger Joseph Stiglitz sein – einer der schärfsten Bush-Kritiker und Gegner eines ungezügelten Kapitalismus.
Glos fordert Konjunkturspritze
Auch in Deutschland geht die Debatte um eine Konjunkturspritze weiter. Nun unterstützt offenbar auch Bundeswirtschaftsminister Michael Glos (CSU) die Forderung nach einem Programm zur Ankurbelung der Wirtschaft. Zur Entlastung der Bürger sei eine Senkung der Lohn- und Einkommensteuer vor allem im unteren Progressionsbereich möglich, sagte der CSU-Politiker der Passauer Neuen Presse.
Soll heißen: Steuersenkungen sollen den unteren Einkommensklassen zugute kommen. Das ist nach Ansicht vieler Ökonomen sinnvoll, da gerade die Niedriglöhner – gezwungenermaßen - eher wenig sparen und so durch ihren Konsum die Wirtschaft ankurbeln können.
Glos sagte weiter, angesichts der Finanzkrise sei das Ziel eines ausgeglichenen Haushalts „nur noch ganz schwer zu erreichen“. Man dürfe es zwar nicht aufgeben, aber auch nicht um jeden Preis daran festhalten. Mit seinem Vorschlag geht Glos erneut auf Konfrontationskurs zu Finanzminister Peer Steinbrück (SPD). Dieser hatte ausdrücklich erklärt, er sehe hierfür keine Spielräume. Die SPD-Linke drängt allerdings auch auf Hilfen für die Wirtschaft und einkommensschwacher Teile der Bevölkerung.
Steinbrück und Glos sollen im Auftrag von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) bis zur übernächsten Woche Vorschläge zur Stimulierung der Konjunktur ausarbeiten. Sobald die Vorschläge vorliegen, soll das Kabinett die Eckpunkte für Fördermaßnahmen beschließen.
Als weitere Möglichkeiten zur Stützung der Wirtschaft nannte Glos erneut ein Vorziehen der steuerlichen Absetzbarkeit von Krankenkassenbeiträgen, eine Umstellung der Kfz-Steuer, die Förderung von Gebäudesanierungen sowie ein KfW-Kreditprogramm für die Industrie.
Die Sorge um eine Wirtschaftsflaute in Deutschland ist begründet und trifft als erstes die ohnehin schwächelnde Automobilbranche. Wegen des Absatzeinbruchs drosseln deutsche Hersteller die Produktion weiter. Der Autobauer Opel bestätigte am Montag einen Bericht der Rheinischen Post, wonach die Produktion in Bochum sowie an drei weiteren europäischen Standorten für zwei Wochen gestoppt wurde.
Ford meldete für einen Teil der Motorenproduktion in seinem Kölner Werk Kurzarbeit an. Bereits in den vergangenen Wochen war an verschiedenen Standorten die Produktion wochenweise stillgelegt worden. Auch der Autobauer Daimler hat angekündigt, seine Belegschaft bei einer anhaltenden konjunkturellen Talfahrt weiter ausdünnen zu wollen. Derzeit stecke Mercedes-Benz in einer "ausgewachsene Absatzkrise".
Zudem werde die Branche die Auswirkungen der Finanzkrise zu spüren bekommen. Wenn die konjunkturelle Delle länger dauere, dann "werden wir an der Personalschraube drehen", kündigte der Produktionschef Rainer Schmückle an. "Da brauchen wir uns nichts vormachen."
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