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Meinungsumfragen von ForsaDie „Bild“ unter den Instituten

Forsa und ihr Chef Manfred Güllner präsentieren stets steile Höhenflüge und krachende Abstürze. Vor allem die SPD wird gern unterbewertet.

Das Spiel mit den Prognosen: Es könnte schön werden. Oder auch nicht. Bild: imago/Chromorange

BERLIN taz | Wenn am Donnerstag Bundestagwahl wäre, bekäme die SPD genau so viel wie 2009: bescheidene 23 Prozent. Merkel bekäme 40 Prozent. Wir wissen dies, weil Forsa-Chef Manfred Güllner entsprechende Zahlen parat hat. Gemessen bis zum letzten Montag, veröffentlicht am Donnerstag in Stern und bei RTL. Das hat Forsa streng wissenschaftlich herausgefunden, die statistische Fehlertoleranz liegt, so wird versichert, bei höchstens 2,5 Prozent.

Die Nachrichtenagentur afp meldet kenntnisfrei, aber typisch, dass „für die FDP weiterhin fünf Prozent vorhergesagt“ werden. Meinungsumfragen sind demnach eine Art Wetterbericht. Für die SPD ist es bei Forsa immer stark bewölkt.

Forsa ist die Bild-Zeitung unter den Meinungsumfrageinstituten. Das Institut liefert verlässlich die spektakulärsten Zahlen, die steilsten Höhenflüge, die krassesten Abstürze. So wollten nur laut Forsa Ende 2009 keine 20 Prozent mehr SPD wählen. Im Mai 2011 hätten demnach 28 Prozent ihr Kreuzchen bei den Grünen gemacht, im Frühjahr 2012 13 Prozent bei den Piraten.

Umfragen verstehen

Wer sich über Umfragen informieren will, tut dies am besten auf wahlrecht.de. Dort finden sich die aktuellen Zahlen der Sonntagsfrage der großen Institute, für den Bund und die Länder. Besonders aufschlussreich sind die Zahlen der Forschungsgruppe Wahlen (FGW). Denn dort finden sich zwei Ergebnisse: zum einen die Rohdaten, die sogenannte politische Stimmung - und zum anderen was die Wahlforscher, die langfristige Bindungen an Parteien nach eigenen Rezeptur berücksichtigen, daraus machen

Kein anderes Institut, weder Emnid noch Allensbach, weder die Forschungsgruppe Wahlen oder infratest dimap, publizierte je solche Zahlen. Was hier regiert, ist die Logik des Spektakulären. Es geht zu wie auf der Kirmes: Wer am lautesten brüllt, wird am meisten gehört. Und in Agenturmeldungen zitiert. Güllner kommentiert jede Woche die Zahlen im Stern – als Verkünder und Deuter der Wahrheit in Personalunion.

Verhasst und gefürchtet

Ein findiger Journalist hat mal nachgeschaut, wie die SPD bei Forsa von 2006 bis 2008 abschnitt, als der von Güllner wenig geschätzte Kurt Beck SPD-Chef war. Das Ergebnis: Die SPD lag bei Forsa im Schnitt um 4 Prozentpunkte unter den Werten der anderen vier großen Institute. Streng wissenschaftlich geht irgendwie anders.

Güllner ist in der SPD gleichermaßen gefürchtet und verhasst: Viele Sozialdemokraten vermuten nicht zu Unrecht, dass die drastisch miesen Zahlen, die sein Institut besonders gerne liefert, wie eine Selffulfilling Prophecy wirken.

Das lässt sich zwar empirisch nicht schlüssig nachweisen – aber dass niedrige Zahlen eine Partei wenig attraktiv erscheinen lassen, ist nicht abwegig.

Manfred Güllner ist noch immer SPD-Mitglied. Die heftige gegenseitige Abneigung ist wohl das Ergebnis einer längeren Beziehungskrise. Denn als Gerhard Schröder noch Kanzler war, stand der Forsa-Chef bei der SPD-Spitze in hohem Ansehen. Und, Überraschung: Solange Schröder regierte, lag die SPD in dem Forsa-Zahlenwerk ziemlich genau da, wo auch die anderen Institute sie verorteten.

Aufklärerischer Effekt

Von Wahlkampf zu Wahlkampf gibt es mehr Umfragen. Kulturkritisch betrachtet, ist das ein Verfallssyndrom. Der starre Blick auf die anscheinend verlässlichen Zahlen ersetzt den Kampf um das bessere Argument. Die durch Umfragen durchleuchtete Gesellschaft passt perfekt in postdemokratische Verhältnisse, in denen der Souverän faktisch entmachtet ist, aber als Stimmungsbarometer taugt.

Insofern hat die Forsa-Politik einen aufklärerischen Effekt: Sie zeigt, wie fadenscheinig das Kleid der Objektivität ist.

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11 Kommentare

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  • G
    Gast11092013

    Zur Aussage die Forsa Zahlen seinen nicht wissenschaftlich, weil die SPD Werte im Durchschnitt 4 Prozent unter denen der anderen Institute lagen:

     

    Umgekehrt wird ein Schuh draus: Das Wahlergebnis von 23% hat Forsa recht gegeben, und folglich sollten eher Zweifel an den Methoden der anderen Institute bestehen.

     

    Zu den Wahlumfragen allgemein:

     

    Alle Institute sollten ihre Rohzahlen und die Gewichtungsmethoden genau offenlegen müssen. Nur so kann Manipulation verhindert werden. Das ist eine Frage für den Gesetzgeber.

  • Die SPD mag ein Problem mit dem Forsa-Institut haben.

     

    Die SPD hat aber vor allem ein Problem mit sich selbst.

  • Warum findet der "findige Journalist" bzw. sein Medium eigentlich keine namentliche Erwähnung?

     

    Könnte es sich etwa um Stefan Niggemeier (http://www.stefan-niggemeier.de/blog/wann-forsa-begann-fuer-die-spd-schwarz-zu-sehen/) handeln? Ja, genau der, der sich kürzlich in seinem Blog mit Ines Pohl (Chefredakteurin der TAZ) angelegt hat?

     

    Wir werden es vermutlich nie erfahren. Aber egal um wen es sich handelt: Werke von Kollegen zusammenzufassen ist eine legitime Methode im Journalismus -- unter der Bedingung die Quelle zu nennen (und online auch zu verlinken).

     

    Punktabzug!

  • B
    bussau

    Der "findige Journalist" ist Stefan Niggemeier.

    Den sehr lesenswerten Artikel findet man hier: http://www.stefan-niggemeier.de/blog/wann-forsa-begann-fuer-die-spd-schwarz-zu-sehen/

     

    Wäre ich der "findige Journalist" gewesen, ich würde mich schon ärgen, wenn ein Kollege meine Arbeit so schamlos abschreibt ohne mich als Quelle zu nennen. Kein guter Stil, lieber Herr Reineke, aber: findig!

  • Meinungsmache, Mathematik und Mumpitz

    Wahlprognosen sind aus mathematisch/statistischer Sicht bei allen Instituten unlauter. Veröffentlicht werden nicht die gemessenen Daten. Es wird auch nicht die statistische bedingte Unsicherheit der Daten nachvollziehbar veröffentlicht. Eine Prognoseergebnis von 40% bei 1000 Befragten unterliegt bei einer Sicherheit von 95% einer Schwankung von +/- 4%. Diese Unsicherheit ist mathematisch bedingt und kann nicht "verbessert" werden. Da aber jede Menge unbekannte Interviewfehler hinzukommen, ist das gemessene Ergebnis uninteressant (gelinde gesagt - Mumpitz). Also werden die Zahlen mutwillig gelättet, verändert, politisch gewichtet - so wie es in den Kram passt. Schade um unsere politische Aufklärung.

  • P
    Pete

    Guter Kommentar. Ich finde aber auch die ständigen Umfragen der anderen Meinungsforschungsinstitute sind völlig überflüssig. Meinetwegen eine Umfrage zur Stimmungslage pro Jahr, aber nicht mehr.

    So wie das jetzt geschieht, machen die Meinungsforscher Politik, übernehmen dafür aber keine Verantwortung.

    Die Art der Fragestellung beeinflusst zudem die Antwort. Und viele Umfragen betreffen unpopuläre Entscheidungen, deren langfristige Wirkung im Rahmen einer Wahl dann beurteilt werden sollte und nicht wenige Minuten danach über den "gefällt mir"-Button der Demoskopen oder Online-Umfragen. Das gilt für den "Veggie-Day" über die Steuerpläne bis hin zum Betreuungsgeld. Wer beurteilt da für wen in welcher Lebenssituation was? Gehört man zur Mehrheit oder zur ausgegrenzten Minderheit? Die Umfragen schüren Neid und bringen die Gesellschaft auseinander anstatt zusammen.

  • RT
    Ruth T-W

    Ergebnisse der letzten Bundestagswahl vom 27.9.2009 und die dazugehörige Forsa-Vorhersage vom 25.9.2009:

     

    - CDU - Forsaprognose: 33, erhalten: 33,8.

    - SPD - Forsagprognose: 25, erhalten: 23.

    - Grüne - Forsaprognose: 10, erhalten: 10,7

    - FDP - Forsaprognose: 14, erhalten 14,8

    - Linke - Forsaprognose: 12, erhalten 11,9

     

    Das ist eine offensichtlich HERVORRAGEND TREFFGENAUE Vorhersage des Wahlergebnisses gewesen.

     

    Ihr könnt die Zahlen nachlesen unter:

    http://www.wahlrecht.de/umfragen/forsa.htm

  • Tja, und warum lag dann Forsa bei der letzten Bundestagswahl von allen Instituten mit der Vorhersage am dichtesten am endgültigen Wahlergebnis, während Emnid, Allensbach, Infratest und Co. hier wesentlich größere Abweichungen präsentierten?

    • K
      Knuffi
      @Horsti:

      Na, weil Forsa vorgibt, wie die Zahlen am Wahltag auszusehen haben ;-)

  • P
    PasserBy

    Zur BTW2009 hat der böse Güllner die SPD überschätzt und die CDU unterschätzt.