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■ Meinungen zur Kirch-Krise der Bundesliga und ihrer künftigen FinanzierungSchickt Hoeneß auf Jobsuche

betr.: „Staatsknete für Kahn & Co.?“, taz vom 5. 4. 02

Was schreibt dieser Metzger da für einen Schwachsinn! „So ist sie eben, die Marktwirtschaft, niemand zwingt die Vereine, die zahlen freiwillig so viel, der Markt ist da …“ – blablabla. Nur jetzt funktioniert die Marktwirtschaft doch nicht so, „wie sie sollte“, und deshalb ist sie jetzt kurz mal doch keine Marktwirtschaft.

Wo kommen wir hin, wenn jetzt jeder Politiker nach seinem Hobby über Bürgschaften, Subventionen, Rettung und Tod irgendwelcher Firmen, Institutionen, Promis und Freunde entscheiden darf, „weil gerade Wahlkampf ist, da geht das gar nicht anders“ – wo sind wir denn?

400 Arbeitsplätze sollen mit 200 Millionen Euro unterstützt werden? Mit 200 Millionen Euro kann man 10–20 Stadttheater ein Jahr lang voll finanzieren oder 800 Freie Theater – oder Kindergärten, von Lehrmitteln für die Schulen mal ganz zu schweigen. Für einen dieser 400 fett überdimensionierten Kicker-Jobs sollte man – wenn das Geld denn so locker sitzt – 10.000 Niedriglohnjobs bezahlen. Oder Weihnachtsgeschenke für alle. Oder so was.

Lasst die Hoeneß’ und Effenbergs, die Rehagels und Hitzfeldts und die anderen armen Reichen doch mal in der Welt nach noch viel tolleren Jobs suchen, dann wird in Deutschland vielleicht auch wieder Fußball gespielt statt Sprüche geklopft: Denn sportlich und spielerisch haben die Geldmassen in den letzten paar Jahren dem deutschen Fußball ja faktisch-statistisch gesehen anscheinend eher geschadet als genützt!

CHRISTINA WEBER, Bremen

Bravo, Herr Metzger. Superidee. Staatsknete für den Not leidenden Bundes-Fussek. Erst setzt der Obermedienzocker der Nation sein Fastfood-TV-Imperium grandios vor die Wand. Dann geht den Fußballgroßkopferten plötzlich der Arsch auf Grundeis, als ihnen dämmert, dass man von dem mit runtergelassenen Hosen dastehenden Medienzampano nix mehr zu erwarten hat. Lange genug hat er ja den Fußballdiven und ihrem durchgeknallten Managerüberbau den Puderzucker – sprich die Multimillionen – in den von innen und außen vergoldeten Arsch geblasen.

Und dann das. Nix is. Aus is. Armes Kirchlein hat ein paar Milliarden Schulden gemacht. Wie viele genau, traut sich schon keiner mehr zu fragen. Aber ist ja auch egal. Jedenfalls für die voll gesogene Fußball-Korona. Schließlich ist Vatter Staat ja auch noch da. Und der hat und gibt ja gerne und reichlich. Jedenfalls wenn’s für einen guten Zweck ist. Und wer wollte den bestreiten? Schließlich geht es ja um Arbeitsplätze. Mit diesem Totschlagargument kann man ja heuer alles verargumentieren.

Die Lage der Fußballnation ist ernst, aber nicht hoffnungslos. Die Lösung liegt auf der Hand: Erst mal das faule Arbeitslosen- und Sozialhilfeempfänger-Pack aus der sozialen Hängematte treten und ihm die Bezüge kürzen. Und dann unsere multikulturelle Fußballmillionärsbagage mit der Knete päppeln. Oder auch: statt Schwertern zu Pfugscharen Transrapidgleise zu Stollen und Stutzen. Vielleicht ist ja Herr Clement bereit, zu Gunsten der Edel-Rasentreterfraktion auf die goldenen Klodeckel seines HiTec-Mausoleums zu verzichten. Damit Currywurstverkäufer und Kartenknipser auch morgen noch was zu beißen haben. Gott zum Gruße RALF RADZANOWSKI, Herne

Es ist unglaublich, der Idee zuzustimmen, Fußballvereine durch die Steuergelder zu unterstützen. Die Argumente, die Herr Metzger anbietet, sind geradezu lächerlich. Was würde passieren, wenn KirchMedia wirklich Pleite ginge? Die Zahlungen an die Vereine würden entfallen. Na und? Das ist halt das Risiko in einer Marktwirtschaft, damit müssen die Vereine jederzeit rechnen! […]

Auch das Argument, dass sich schon ein anderer finden wird, der die Fernsehrechte kauft, ist ziemlich vage. Wer garantiert das denn? Und wer garantiert, dass derjenige nicht auch in Schwierigkeiten kommt und das Dilemma von vorn beginnt? Was durch staatliche Bürgschaften passieren kann, sehen wir ja prima in Berlin. Warum sollte der Staat die Risiken tragen, obwohl andere die Gewinne kassieren?

Das Dümmste jedoch, was ich je gehört habe, ist die Bemerkung, dass der Staat „an allen Ecken und Enden für viel größeren Blödsinn“ Geld zum Fenster herauswirft. Was soll das heißen? Nur weil mein Nachbar einen Hunderteuroschein verbrennt, bin ich weniger dumm, wenn ich einen Fünfzigeuroschein verbrenne? Und warum, bitte schön, geht es hier nicht um die hohen Gehälter von den Spielern? Das ist auch Marktwirtschaft! Wenn keiner für die Fernsehübertragungsrechte bezahlt, ist Fußball nicht mehr so viel wert, warum sollte dann weiterhin ein hohes Gehalt an die Spieler gezahlt werden. […]

Und natürlich zwingt niemand die Vereine, „in einer Profiliga zu spielen“ oder „hohe Gehälter zu zahlen“. Solange „der Markt und damit das Geld dafür“ da ist, geht das auch völlig in Ordnung, aber warum sollten die Steuerzahler geradestehen, wenn der Markt scheinbar nicht mehr da ist? (Kirch geht immerhin Pleite, weil niemand sein Pay-TV sehen will!) Und schließlich und endlich ist es vielleicht gar nicht so verkehrt, dass ein paar Fernsehsender den Geist aufgeben – dann wird vielleicht wieder mehr Fußball auf den Straßen und Hinterhöfen gespielt, was ja nicht ganz schlecht wäre für den deutschen Fußball.

ANDREAS WAGNER, Berlin

Wenn die Banken den Bundesligavereinen zutrauen, dass die sich auf die Situation ohne Kirch-Millionen einstellen könne, werden sie notwendige Überbrückungskredite gewähren, auch ohne staatliche Bürgschaften. Warum Reiner Metzger meint, die Marktwirtschaft funktioniere hier nicht, ist unverständlich. Der Staat soll dort bürgen, wo er Entwicklungen fördern will, die für Banken mit unzumutbaren Risiken verbunden sind. Bundesliga-Fußball als Staatsziel brauchen wir nicht. DIETRICH JAHN, Hannover

Die Redaktion behält sich den Abdruck sowie das Kürzen von Briefen vor. Die erscheinenden LeserInnenbriefe geben nicht notwendigerweise die Meinung der taz wieder.

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