Die Wahrheit: „Meine Schere heißt Treue!“
Das schnittige Wahrheit-Interview mit Kanzler-Friseur Mario Grimm, bevor Friedrich Merz erstmals nach Washington reist und auf Donald Trump stößt.
taz: Herr Grimm, fragen wir gleich zu Beginn: Hat Friedrich Merz Problemhaar?
Mario Grimm: Welches Haar denn, haha?! Sie meinen bestimmt dieses hässliche Gestrüpp mittig über der Stirn. Schon seit Jahren predige ich: Das muss weg!
Und?
Er hört bekanntlich nicht auf Ratschläge. Er meint, es lasse ihn menschlich wirken. Aber das Menschliche steht ihm nicht!
Der spärliche Haarkranz ist ansonsten gesund?
Trocken, spröde, brüchig – es verliert an Kraft und lässt ihn oft müde erscheinen. Aber der Mann ist beinahe siebzig!
Vielleicht wächst sich die Haarinsel aus? Wie bei Kanzler Scholz, der am Schluss frisurentechnisch sogar besser aussah, als er machttechnisch performte?
Mag sein. Über den Versager möchte ich nicht reden.
Lieber über Merkel? Deren Promifriseur Udo Walz Ihr erklärtes Vorbild ist?
Jau! Wir Sauerländer sind rauh, vor allem aber ehrgeizig und habgierig. Wir machen nicht viele Worte. Wir wickeln im Dunkel des Tannenwaldes Geschäfte unter Freunden ab, zählen die Millionen und Ruhe ist. So habe ich Walz in Erinnerung. Aber auch Merz!
Wie kamen Sie überhaupt an die Stelle? Wie haben Sie Friedrich Merz kennengelernt?
Zu seiner Hochzeit wünschte er eine besondere Frisur und kam deshalb nach Plettenberg in unseren Salon. Ich habe ihm den üblichen Topfschnitt gemacht und zur Feier des Tages eine Handvoll Strähnchen blondiert. Nichts extravagantes, aber seiner Frau hat’s gefallen. Die Hochzeitsnacht war Stadtgespräch in Arnsberg.
Sensationell war, was Sie sich zur Vereidigung des Kanzlers ausgedacht haben. Was genau hat Merz bei seiner Krönungsmesse getragen?
Viele Haare jedenfalls nicht, haha! Quatsch, nein, wir wollten etwas, das Aufbruch und Politikwechsel symbolisiert. Ursprünglich wollten wir ihn mit einer gefärbten Sturmfrisur und Koteletten à la Milei ins Parlament schicken, Locken auf der Glatze drehen und mit Lack fixieren. Er hatte aber Angst, seine konservativen Anhänger zu verschrecken.
Dann kamen Sie auf die Idee mit dem leichten Undercut und den 50 Schattierungen von Grau?
Genau. Wir wollten subtil an die Veränderungsbereitschaft im Volk appellieren. Von Weitem hat man wahrscheinlich gar keinen Unterschied gesehen. Wichtiger ist ohnehin, dass die Frisur zu den politischen Botschaften passt. Zum Beispiel: „Dünnes Haar, schlanker Staat!“ Oder: „Wachstumsimpulse setzen, Wildwuchs an den Rändern kappen!“
Hat er die Stichworte geliefert?
Nein. Aber ich habe alles mit den Referenten abgeklärt. „Platte polieren, Sparkurs total!“ gefiel gut. Auch „Brandmauer rasieren, Spitzen abnehmen!“ mochten sie. Vor allem natürlich: „Sozialstaat zurechtstutzen, oben viel stehen lassen!“
Böse Zungen munkelten, Sie würden ihm einen Schuldenschnitt verpassen?
Nennen wir nicht mehr so, Schuldenschnitt ist völlig out.
Apropos: Was zahlt denn Merz für seinen Cut?
Rede ich ungern drüber.
Ach kommen Sie!
Mindestlohn sei noch zu viel für mich, feixt er immer, um mich zu ärgern. Ich solle froh sein, überhaupt eine halbseriöse Einkunft zu haben. Sie verstehen, Millionär wird man nicht vom Geldausgeben. Wenigstens beim Trinkgeld lässt er sich nicht lumpen. Einen frisch gebügelten Fünf-Euro-Schein kriege ich jedes Mal. Wenn Damen anwesend sind, auch mal mehr.
Aber es rentiert sich für Sie?
Natürlich. Da hängen hier in der Gegend so viele andere Geschäfte dran. Und für das Image meines Salons, „Grimms Schnitter“, ist es fabelhaft: Alle wollen zum Kanzlerfriseur, stehen dafür Schlange. Die Landjugendlichen kriegen sogar seine Frisur eins zu eins kopiert, das ist ein Tiktoktrend geworden.
Was planen Sie für die erste Reise des Kanzlers zu Donald Trump auf Merz’ Schädel?
Wir möchten mal mit einer asymmetrische Frisur experimentieren, Seitenscheitel rechts. Sonst ist Merz’ Devise: Jeder nach seiner Fasson! Hauptsache, pflegeleicht! Die Frisur muss halt unterm Stahlhelm genauso gut aussehen wie unter der Narrenkappe und sie muss, wenn Sie mir diesen Scherz gestatten, die Scham bedecken.
Haben Sie keine Angst, dass der Kanzler durch eine unpassende Frisur im Weißen Haus Ihren Salon mit in den Abgrund reißt?
Gott behüte! Aber schlimmer als Trumps Frise geht es ja nicht mehr. Ich stehe zu meinem Kanzler. Ich sag nur: Meine Schere heißt Treue.
Mario Grimm, wir danken Ihnen für das Gespräch.
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