"MeinVZ" als deutsches Facebook: Netzwerk für Große
Nach "StudiVZ" und "SchülerVZ" hat die Holtzbrinck-Tochter nun ihr drittes soziales Netzwerk gestartet. Für Menschen jenseits des Mensa-fähigen Alters.
Einmal Rot, einmal Violett und nun Orange: Die Berliner StudiVZ Ltd., eine Tochter des deutschen Verlagskonzerns Holtzbrinck, hat ihre Ankündigung wahr gemacht und nach ihren bekannten sozialen Netzwerken für Studenten ("StudiVZ") und Schüler ("SchülerVZ") nun auch eines für Menschen über dem Mensa-fähigen Alter gestartet. "MeinVZ" soll laut Angaben der Firma diejenigen abholen, die die Hochschule hinter sich haben und sich gleichzeitig noch mit dem ein oder anderen "Studi" vernetzen wollen. Entsprechend geht der Wechsel zwischen den beiden Netzwerken nahtlos vonstatten. Nur die Schüler bleiben weiter unter sich - die sollen dann später wohl ins StudiVZ und danach ins MeinVZ wechseln.
Unterschiede finden sich nur im Detail: Wird bei StudiVZ nach Uni sortiert, geschieht dies in MeinVZ nach Regionen. Außerdem darf man sich in neuen Profilkategorien zu aktuellen und früheren beruflichen Stationen mitteilen - inklusive Alumni-Daten. Als neues Karrierenetzwerk a la "Xing" oder "LinkedIn" sieht sich MeinVZ allerdings nicht - es dient wie die anderen Netzwerke vor allem dem Privatvergnügen des Nutzers. So kann man sich gegenseitig Neuigkeiten senden, Bildergalerien anlegen, Interessensgruppen beitreten und sich untereinander eben vernetzen. Die viel gehypte Grußfunktion "Gruscheln" ist bei MeinVZ ebenfalls dabei. Neben Deutsch wird die Site direkt auch auf Englisch angeboten. Allerdings will die Holtzbrinck-Tochter damit derzeit nicht sofort ins Ausland expandieren, sondern internationalen Gästen einen Zugriff auf den Dienst erlauben, dessen Name auch für diese Nutzer weiterhin "MeinVZ" lautet.
Strategie hinter dem Start von MeinVZ dürfte vor allem sein, dem US-Riesen Facebook, der sein Angebot demnächst auf Deutsch verfügbar machen will, ein gleichwertiges Netzwerk entgegenzusetzen. Der muss sich nicht die Mühe machen, drei unterschiedliche Angebote für drei Zielgruppen zu pflegen: Facebook wurde nach und nach gegenüber neuen Nutzerbereichen geöffnet, bietet eine einheitliche Plattform für User vom Studenten bis zum Manager. Mit MeinVZ kann die StudiVZ Ltd. nun auch einen Bereich aufweisen, in den sie ältere Nutzer einordnet, so dass dieses Defizit ausgebügelt scheint. Was bei den StudiVZ-Netzwerken derzeit noch fehlt, ist hingegen die Öffnung für so genannte Apps - Anwendungen, die den Dienst erweitern, Spiele und Multimedia bieten oder einfach nur bestehende Funktionen ergänzen. Bei Facebook tummeln sich inzwischen über 10.000 solcher Programme, Hersteller der Apps werden mit Millionen Dollar bewertet. Bei der Holtzbrinck-Tochter bastelt man hingegen noch an einer solchen Schnittstelle - und will sie zunächst auch wohl weniger offen gestalten als bei Facebook.
Mit laut eigenen Angaben 8 Millionen Nutzern und enormen Seitenabrufzahlen sieht man sich hier zu Lande dennoch zunächst als weitgehend unangreifbar. Der so genannte Netzwerkeffekt - Nutzer gehen immer dorthin, wo die meisten ihrer Freunde sind - wird vom Management der Firma gerne betont. Allerdings ist der User an sich ein unzuverlässiger Geselle, der dennoch gerne von Netz zu Netz springt. Trotzdem hat StudiVZ diverse kleinere und größere Skandale überlebt - von "Stalkergruppen" im Netzwerk bis hin zu neuen, personalisierten Werbeformen, deren Bedingungen leidlich ungeschickt kommuniziert wurden und denen viele Nutzer nur nach Zögern zustimmten. Doch nur mit dieser Form von Reklame glaubt der Anbieter, seine Netzwerke, die derzeit nur teilweise Profit abwerben, refinanzieren zu können. (Auch Facebook löste mit solchen Techniken bereits Stürme der Entrüstung aus.) Bei MeinVZ hat man immerhin eine feinere Abstimmung der Privatsphäreneinstellungen integriert. Dennoch obliegt viel Verantwortung dem Nutzer: Der muss selbst genau wissen, wie viele Daten er tatsächlich preisgeben möchte. Allerlei User tun es gar nicht: Sie haben ein falsches Profil angelegt, um anonym mitmachen zu können. Laut einer Nutzerumfrage soll die Rate aktuell bei 4,8 Prozent liegen, könnte aber deutlich höher sein.
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