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Mein Name ist Vulkan und ich weiß von nichts

■ KPMG-Gutachten belegt: Aufsichtsrat und Vorstand des Werftenverbundes wußten spätestens im letzten Herbst von den abgezockten Ostsubventionen

Berlin (taz) – Drei Bankiers saßen im Aufsichtsrat vom Bremer Vulkan: Klaus Müller-Gebel und Nikolaus Schmidt verdienen Lachs und Limousinen bei der Commerzbank, Bernd W. Voss kommt von der Dresdener Bank. Bereits im Herbst vergangenen Jahres hätte ihnen klar sein müssen, daß die für die Werften in Stralsund und Wismar vorgesehenen und von der EU genehmigten 854 Millionen Mark Subventionen im Westen abgezockt wurden. So urteilen die WirtschaftsprüferInnen der KPMG, die die Treuhandnachfolgerin BVS Anfang Februar engagiert hatte und deren Gutachten der taz vorliegt.

Spätestens seit Ende August 1995 war den Bänkern klar, daß der Bremer Vulkan permanent ein Minus produzierte. „Da die Kreditlinien zwar nicht gesenkt, aber nach unseren bisherigen Erkenntnissen auch nicht erhöht wurden, müßte den Banken bekannt gewesen sein, daß die außerordentlichen Verluste und Liquiditätshilfen durch die Mittel der Ostbetriebe finanziert wurden“, schreibt die KPMG.

Die Vulkan-Vorstandsleute wußten wahrscheinlich schon weitaus früher als der Aufsichtsrat von der Zweckentfremdung der Staatsknete. Monatlich erhielten sie Informationen über Liquidität, Umsätze, Auftragsbestände und Personal. Schon im Januar 1994 bekamen sie laut KPMG deutliche Hinweise darauf, daß „die kurzfristige Liquidität des Konzerns nur dann gesichert ist, wenn die Gelder der Ostbetriebe nachhaltig zur Verfügung stehen“. Am Ende dieses Jahres hätten die Leute in der Chefetage durchblicken müssen, urteilen die KPMG- Wirtschaftsprüfer.

Das Geld aus der Staatskasse wurde so ausgegeben, daß eine vertragsgerechte Auszahlung an die ehemaligen Treuhand-Betriebe an der Ostsee spätestens ab Januar 1995 nicht mehr möglich war. Zum einen glich die Geschäftsführung damit die laufenden Verluste bei den Vulkan- Töchtern Dörries Scharmann, INEX, Senator Linie, Softwaregesellschaften, IMG, Dieselmotorenwerk und Hanse Vermögensverwaltungsgesellschaft aus – 410 Millionen wurden dafür seit 1993 verwendet. Zum anderen kaufte sie für 130 Millionen Mark Anteile von Atlas Elektronik, erhöhte in verschiedenen Betrieben die Kapitaldecke und finanzierte die Abwicklung mehrerer Unternehmen. All diese Geschäfte schlossen einen Rückfluß des Geldes in den großen Finanztopf des Konzerns aus. Somit blieb für die ostdeutschen Betriebe nichts übrig.

Auch daß die 1992 gegenüber der Treuhand zugesagten Investitionsverpflichtungen von 774 Millionen Mark vom Vulkan nicht bezahlt werden würden, muß dem Vorstand längst klar gewesen sein. „Der Abschlußprüfer verwies auf dieses Problem bereits in seinem Prüfungsbericht zum Konzernabschluß 31. 12. 1993“, so die KPMG.

Die SteuerzahlerInnen haben laut Gutachten allein für die MT- Werft in Wismar und die Volkswerft Stralsund seit ihrer Privatisierung 1.223 Millionen Mark ausgegeben. Mehr als zwei Drittel davon flossen in den Westen.

Die BVS tut jetzt so, als sei sie von allen hintergangen worden. Erst Ende vergangenen Jahres will sie Hinweise bekommen haben. Dabei hat nach einem Bericht des Spiegels der Direktor des Treuhand-Vertragsmanagements, Dirk Groß-Blotekamp, bereits Ende 1993 Informationen über die vertragswidrige Verwendung der Subventionen gekriegt. Doch die Treuhand hakte nicht nach. Im Gegenteil: Sie verzichtete sogar auf die vierteljährlichen Berichte eines Wirtschaftsprüfers.

Auch die Bundesregierung ignorierte im November 1995 Hinweise aus dem Bremer Senat. Als auch noch Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsident Berndt Seite (CDU) kurz vor Weihnachten unruhig wurde, blieb die Bundesregierung untätig. Statt dessen maßregelte Kanzleramtsminister Friedrich Bohl den Ost-Politiker: Es gäbe keinerlei Hinweis auf eine Zweckentfremdung der Treuhand-Gelder. Seite solle doch bitte „in Zukunft auf öffentliche Spekulationen verzichten“. Annette Jensen

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