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Mein Massage-Salon ist angenehm bodenständig. Aber seine Rabatt-Aktionen können zu Verspannungen führenDie Fünf-Euro-Frage

Foto: privat

AM RAND

Klaus Irler

Gutscheine sind Mist. Ob man sie kauft oder geschenkt bekommt: Sie liegen irgendwo herum, werden vergessen, verfallen oder gehen verloren. Man zieht weg, oder der Laden macht dicht. Was sonst noch schief gehen kann mit Gutscheinen, erfuhr ich kürzlich in meinem thailändischen Massage-Salon. Ausgangspunkt war eine Rabattaktion – am Ende waren die Kundin und die Salonbesitzerin entzweit.

Der Salon befindet sich in einem Flachbau an einer vierspurigen Straße, zwischen der U-Bahn-Haltestelle Hagenbecks Tierpark und einem österreichischen Spezialitätengeschäft: Er besteht aus einem einzigen Raum, Empfang, Warte- und Massagebereich gehen ineinander über. Die Geräusche der Straße dämpft ein schwerer Teppichboden, es riecht nach dem Kaugummi-Aroma eines Waschmittels. Die Liegen sind nur durch Vorhänge voneinander getrennt, deswegen kann man alles hören, was hier gesprochen wird. Aus den Lautsprechern kommt dazu Flötenmusik in Endlosschleife.

Der Salon versucht seine Kundschaft durch niedrige Preise zu gewinnen: Eine Stunde Massage kostet derzeit 35 Euro, bis vor wenigen Monaten sogar nur 30 Euro. Diese Preiserhöhung war Anlass für den Streit, den ich, eingehüllt von Flötenklängen und Kaugummi-Handtüchern, unfreiwillig mithörte.

Es gab da also eine ältere Dame, die sich bei einer Rabattaktion des Salons Ende 2014 mit Gutscheinen eingedeckt hatte: Vier Massagen gab es damals für 100 Euro, es sollte also eine Massage nur 25 Euro kosten – und die vier Gutscheine sollten unbegrenzt gültig sein. Seinerzeit lag der Preis für eine Einzelmassage noch bei 30 Euro. Nun gab es aber mittlerweile jene Preiserhöhung, was die Salonbesitzerin dazu brachte, eine Nachforderung zu stellen: fünf Euro.

„Ich denke nicht im Leben daran, etwas nachzuzahlen“, sagte die Kundin erbost. „Sie haben mir vier unbegrenzt gültige Gutscheine für jeweils eine Massage verkauft. Was geht mich es an, wenn Sie irgendwann die Preise erhöhen?“ Die Salonbesitzerin argumentierte, dass der Gutschein schon über ein Jahr alt ist – und seitdem sei alles, aber wirklich alles teurer geworden. Die alte Dame blieb hart und ging, ohne nachzuzahlen. „Es gibt schon schlimme Kunden“ sagte die Salonbesitzerin und erwartete wohl Zustimmung.

Ich aber wusste nicht, was von der Sache zu halten ist. Vermutlich hat die alte Dame Recht. Vermutlich hätte die Salonbesitzerin etwas auf den Gutschein ­schreiben müssen. Andererseits konnte ich gut verstehen, dass sie daran nicht gedacht hatte und so ein Gutschein halt auch von einer durchaus nachvollziehbaren Preiserhöhung betroffen ist. Ich kam bei meiner persönlichen Erörterung bei einem sauberen Patt raus.

Als die alte Dame ging, sagte sie: „Ich habe noch einen von diesen Gutscheinen.“ Es hörte sich halb drohend an – und halb kläglich. Ihr dürfte gedämmert haben: Diese nächste Massage wird, wenn auch allemal billiger, kein großes Vergnügen.

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