piwik no script img

■ Schöner lebenMein Lenkerband

Es ist seither viel Zeit vergangen, aber auch mein Fahrrad war einmal fabrikneu. Damals blitzte der Chrom, die Schaltung schaltete, das Schloß schloss, und der Lenker war in einem eleganten Schwung umwickelt von einem griffigen schwarzen Lenkerband. Mein Fahrrad trug mich wie von selbst. Aber diese schönen Zeiten sind vorbei, und ich bin ein anderer Mensch geworden. Und Schuld daran ist das Lenkerband.

Mit einem kleinen Riß am rechten Griffende hat alles begonnen. Ich nahm ihn zunächst gar nicht wahr. Nach einigen Tagen wurde der Riß jedoch länger, und ein Stückchen Lenkerband löste sich aus der Halterung. Nach wiederum einigen Tagen fiel diese Halterung – ein verschraubter Proppen – aus dem Lenkerrohr, und die Auflösung des Lenkerbandes war nicht mehr aufzuhalten. Da fiel mir ein: Die Verringerung des ästhetischen Werts mindert zwar den Tauschwert, aber nicht unbedingt zugleich den Gebrauchswert. Vor Dieben ist mein Rad nun sicher, dachte ich und fuhr mit einem zwanzig Zentimeter lang flatternden Lenkerband meine Wege. Doch dann bemerkte ich auch auf der linken Seite einen kleinen Riß und beschloß, daß es genug sei.

Selbstbewußt kaufte ich beim Fahrradhändler einen Satz griffige schwarze Lenkerbänder (mit Eindrück-Proppen), riß die Reste des alten Bandes ab und wickelte das neue um die Lenkstange. Das ging beinahe wie von selbst, doch am Ende der Lenkstange stellte sich die Frage: Wohin mit dem Ende des Lenkerbandes? Beim ersten Mal stopfte ich es in die Stange und drückte den Proppen hinein. Beim zweiten Mal – sechs Monate später – schnitt ich kleine Kerben in das Band und schraubte den Proppen hinein. Beim dritten Mal – vier Monate später – habe ich Silikon hinterher gespritzt, beim vierten Mal Alleskleber, beim fünften Mal Zement mit Schnellbinder. Allein es hat alles nichts genützt. Immer gab es irgendwo zuerst diesen einen kleinen Riß.

Schuld ist das Körperfett, sagte mein Fahrradhändler, als er mir das elfte Paar Lenkerband (mit Unterdruck-Bolzen) verkaufte. Sobald die Hände auf den blanken Lenker greifen, sondern sie Fett und Schweiß ab. „Da hält dann kein Band mehr.“ In einem Tauchbad aus einer Spiritus-Pril-Mischung entfernte ich das Körperfett von der Lenkstange. Schließlich umwickelte ich die entfettete Lenkstange mit zwei neuen schwarzen Lenkerbändern (mit akkubetriebenen Kompressions-Bolzen). Und: Es hielt sogar. Doch dann kam ein verregneter Sommer. Da hat sich das rechte Lenkerband auf ganzer Strecke gelöst und war nur noch schwarz aber nicht mehr griffig. Ich bekam Ausschlag. Und Ganzkörperzittern. Mein Fahrradhändler sagte, ich hätte mich verändert. Hätte er dabei doch nur nicht so gegrinst ... Christoph Köster

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen