Mehrheit für Rot-Grün: Echo der Unions-Schwäche
Schwarz-Gelb stürzt weiter ab, mehr als jede andere Regierung zuvor. Rot-Grün hätte eine eigene Mehrheit. Doch der SPD-Höhenflug ist wohl nur Echo der Unions-Schwäche.
Schwarz-Gelb stürzt in Meinungsumfragen weiter ab, Rot-Grün hätte sogar eine eigene Mehrheit. Das ergibt eine repräsentativen Befragung von 1.500 Bürgern durch infratest dimap. Demnach würden 31 Prozent für die Union und ebenso viel für die SPD votieren, die Grünen kämen auf 17, die Linken auf 10, die Liberalen hingegen nur auf 5 Prozent. Die Fehlerquote liegt laut Institut bei bis zu 2,5 Prozent. Das Ergebnis der infratest-Umfrage deckt sich mit Befragungen von emnid, forsa und Allensbach. Auch die überstandene Wahl von Christian Wulff zum Bundespräsidenten hat die Stimmung für Schwarz-Gelb nicht aufgehellt.
Der Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin hält die Umfragen für ein Zeichen, dass auch in Fünf-Parteien-Parlamenten Zweier-Koalitionen wie eine SPD-Grüne-Regierung möglich sind: "Dies hat Rot-Grün 1998 im Bund bewiesen", sagte Trittin. Die Gefahr, dass die Grünen abheben, sieht Trittin nicht: "Meine Partei wird nicht übermütig."
Der Absturz der Regierung ist zum Teil normal. Regierungen verlieren ein Jahr nach dem Wahlsieg oft merklich. Neu ist das Ausmaß. In den vergangenen 25 Jahren, so Matthias Jung von der Forschungsgruppe Wahlen zur taz, gab es noch nie "einen derart heftigen Verlust für Regierungsparteien". Auch wenn man die schwindende Bindung an Parteien in Rechnung stelle, sei dieser Einbruch ungewöhnlich. Offenbar empfinde gerade das wenig diskursorientierte bürgerliche Publikum den Dauerstreit in der Koalition als Zeichen von Unfähigkeit. Auch Emnid-Chef Klaus-Peter Schöppner hält das Ergebnis für Schwarz-Gelb für außergewöhnlich. Vor allem rechte und ältere Unionsanhänger wandern, so Schöppner, enttäuscht ins Lager der Nichtwähler ab - und nicht mehr wie vor einem Jahr zur FDP.
Auffällig ist, dass Schwarz-Gelb nicht von der besseren Wirtschaftslage profitiert. 40 Prozent halten laut infratest die wirtschaftliche Lage für gut - doppelt so viele wie vor einem Jahr. Allerdings meinen 77 Prozent, dass dies nur der Wirtschaft, nicht aber den Beschäftigen zugute kommt. Schöppner hält diese Entkoppelung für das zentrale Problem der Union. Früher waren die meisten Wähler überzeugt, dass sie von einer guten Wirtschaftslage auch persönlich profitieren. Weil dieser Glaube erschüttert ist, nutzt, so Schöppner zur taz, "der Wirtschaftsaufschwung der Union nichts".
Gefühlter Gewinner ist nun die SPD. Allerdings ist, so Jung und Schöppner, der Höhenflug vor allem Echo der Schwäche der Union. Die Kompetenzwerte der SPD sind seit 2009 kaum gestiegen. In der SPD versucht man daher allzu offene Begeisterung zu vermeiden. "Das muss sich erst verfestigen", sagte der hessische Landesvorsitzende Thorsten Schäfer-Gümbel der taz. Bundestags-Fraktionsvize Ulrich Kelber ergänzt, dass "der Erneuerungsprozess der Partei noch nicht abgeschlossen ist". Skeptisch zeigt sich auch der thüringische Wirtschaftsminister und Gabriel-Intimus Matthias Machnig. "Das ist ein erfreuliches Zwischenergebnis", so Machnig zur taz, "aber wir sollten jetzt nicht anfangen, zu träumen." Die SPD müsse "erst noch darum kämpfen, dass "der Zuspruch eine echte Unterstützungsmehrheit für die SPD wird".
Für Schäfer-Gümbel bieten die Umfragen dennoch neue Perspektiven. "Das Fünf-Parteien-Parlament ist nicht auf alle Zeiten festgeschrieben", so der Landesvorsitzende, "die Linke hat ihren Zenit im Westen überschritten." Da scheint die Hoffnung auf Rot-Grün pur Vater des Gedankens zu sein. Die Linkspartei liegt in keinem westlichen Bundesland unter 5 und in allen bundesweiten Umfragen 2010 konstant zwischen 10 und 12 Prozent.
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