Mehr illegale Buch-Downloads: iPad beflügelt E-Book-Piraterie
Dank neuer Reader wie dem iPad interessieren sich immer mehr User für geklauten Lesestoff: Mittlerweile soll etwa die Hälfte der Amazon-Finanz-Bestseller illegal online sein.
Elektronische Bücher waren bis vor kurzem relativ witzlos: Lud man sie sich gegen Bezahlung aus dem Internet auf Laptop oder Desktop-PC herunter, musste man sie dort auch lesen - was angesichts der dort verwendeten Bildschirmtechnik dem stundenlangen Starren in eine Leuchtstoffröhre gleichkam. Erst dezidierte Lesegeräte, wie sie in den letzten zwei Jahren in zunehmender Stückzahl in mehr oder minder bedienfreundlichen Varianten auf den Markt kommen, machen E-Books wirklich sinnvoll nutzbar. Zuletzt sorgte Apples iPad - eine Art elektronische Schiefertafel - mit seiner "iBooks"-Bibliothek für Wirbel auf dem Buchmarkt.
Das Aufkommen vernünftiger Reader-Hardware sorgt nun aber auch dafür, dass Raubkopien, im E-Book-Markt bislang vor allem von Toptiteln wie "Harry Potter" bekannt, ins Netz schwappen. Das Fachportal "TorrentFreak", das über die Dateitauschszene berichtet, meldete am Wochenende, dass das Erscheinen des iPad bereits erste Auswirkungen auf die illegale Kopiererei zu haben scheint. Immerhin 500.000 Geräte konnte Apple beim Verkaufsstart in den USA davon absetzen. Zwar konnte "TorrentFreak" keines der 10 aktuell meistverkauften E-Books beim Online-Shopping-Riesen Amazon im Netz finden - weder im populären Tauschnetz BitTorrent (BT) noch anderswo. In der Print-Kategorie "Business", in der Amazon seine Finanztitel listet, sah das allerdings erstaunlicherweise ganz anders aus: Von dieser weniger schnelllebigen Top 10 fand sich mehr als die Hälfte aller gedruckten Bestseller in geklauter Version elektronisch im Netz.
Mehr noch, auch das Herunterladen illegaler E-Books selbst stieg nach Erscheinen des iPad an - laut "TorrentFreak" im Schnitt um 78 Prozent. Alle sechs Amazon-Finanztitel aus der Top 10, die als Raubkopie verfügbar waren erlebten einen Download-Boost. "Getting Things Done", ein Klassiker der Selbstorganisation, wurde 57 Prozent öfter heruntergeladen. Bei "Freakonomics" waren es 104 Prozent. "How We Decide" erlebte einen Anstieg um 140 Prozent. Die Stückzahlen beginnen zudem, beachtlich zu werden: So wurde "Getting Things Done" im Schnitt 435 Mal pro Tag illegal aus dem Netz gesaugt.
Die kopierten E-Books liegen dabei zumeist im offenen PDF-Format vor und können so auf dem iPad und anderen Geräten mit zahllosen Programmen gelesen werden. Aber auch EPUB, der aktuelle Standard bei E-Books, wird von Piraten genutzt - in diesem Fall natürlich ohne den von vielen Usern verhassten Kopierschutz. Letzterer sorgt bei legal erworbenen elektronischen Büchern dafür, dass man beispielsweise ein auf dem iPad erworbenes digitales Werk nicht auf Amazons Kindle-Lesegerät oder den Sony Reader übertragen kann. Das bedeutet, dass die Verwendung der Raubkopie nicht nur umsonst ist, sondern den Kunden auch mehr Komfort bietet - sie können das geklaute Werk auf jedem Gerät nutzen, das ihnen zusagt. In der Musikbranche hat man dieses Problem seit längerem erkannt: Die meiste digitale Musik, die heute über die virtuelle Ladentheke geht, ist kopierschutzfrei. Zumindest das Argument des Komforts wird den Piraten so entzogen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Weidel zur AfD-Kanzlerkandidatin gewählt
Radikal und rassistisch
Krieg in der Ukraine
Die Stimmung ist gekippt
Wehrdienst
Würde ich zum Bund?
Debatte um Ausbürgerung
Remigration setzt sich in den Köpfen fest – sogar in grünen
Missstände in der „24-Stunden-Pflege“
Wer hilft ihnen?
SPD-Parteitag
Nur Friedrich Merz kann die SPD noch retten