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Archiv-Artikel

„Mehr heiße Eisen!“

In seinem Film „Eine Frage des Gewissens“ (20.15 Uhr, ARD) beschäftigt sich Autor und Regisseur Thomas Bohn mit dem Thema Folter: „Wir brauchen mehr Mut, uns aktuellen Fragen zu stellen“

INTERVIEW HANNAH PILARCZYK

„Eine Frage des Gewissens“ greift den Entführungsfall Jakob von Metzler auf. Der damalige Frankfurter Polizeivizepräsident Wolfgang Daschner hatte in einem Verhör dem Entführer mit Folter gedroht, sollte er nicht verraten, wo er den Jungen gefangen hält. Daschner wurde später wegen Nötigung verurteilt, der Fall löste eine breite gesellschaftliche Debatte über Folter aus.

taz: Herr Bohn, in Ihrem Film greift der folternde Polizist nicht nur einen Mitwisser an. Es gelingt ihm, anders als im realen Fall Metzler, so das Versteck aus dem Entführer herauszupressen und das Kind zu retten. Welchen Beitrag kann ein Fernsehfilm wie Ihrer zu dieser Diskussion leisten?

Thomas Bohn: Unser Film soll die Debatte anhand eines sehr konkreten Beispiels auf den Punkt bringen. Im Fall Daschner wissen wir ja zum Beispiel gar nicht, was genau während des Verhörs vorgefallen ist. Wir haben diese Situation nun auf die Spitze getrieben und so sehr klare Fronten geschaffen. Das regt, meines Erachtens, noch deutlicher zu einer Diskussion an.

Gerade die Zuspitzung macht es aber sehr schwer, aus dem Film Rückschlüsse auf aktuelle Folterfälle zu ziehen. Politische Folter wie zum Beispiel in Guantanamo Bay funktioniert ganz anders. Die trifft selten wirkliche Täter und ist noch seltener in dem Sinne erfolgreich, dass sie verwertbare Informationen liefert.

Es ist gefährlich, die Art von Folter, die wir zeigen, mit der in Guantánamo zu vergleichen. Was dort stattfindet, ist politische Folter – und die lehne ich vollkommen ab. Der rechtsfreie Raum, der dort geschaffen wurde, ist aber nicht Thema des Films. Unser Thema ist: Wie handelt ein verantwortlicher Polizist, wenn er spürt, dass sein Gegenüber wissen könnte, wo ein in Lebensgefahr schwebendes Kind versteckt ist, es aber nicht verraten will? Lässt er die Zeit verstreichen oder greift er ein? Dass er eingreift, ist juristisch gesehen falsch – und dafür wird er im Film ja auch bestraft. Aber menschlich gesehen kann man den Polizisten verstehen. Um dieses Dilemma geht es mir. In Guantánamo ist die Situation viel eindeutiger. Das ist einfach nur eine Riesensauerei.

Sie betonen im Film stark die menschliche Seite, zeigen die tatsächliche Folter nur kurz und konzentrieren sich dann auf das Leben des Polizisten nach seiner Verurteilung, wie er etwa mit Arbeitslosigkeit zu kämpfen hat. Müssen wir Mitleid mit dem Folterer haben?

Nein, damit wollten wir vor allem die langsame Einsicht des Polizisten zeigen, dass seine Tat letztlich doch bestraft gehört. Persönlich hält er sein Verhalten nach wie vor für gerechtfertigt, aber er sieht zum Schluss doch ein, dass sich Folter im Polizeialltag nicht durchsetzen darf und er deshalb zu Recht verurteilt worden ist.

Als Belohnung für den Läuterungsprozess erhält Ihr Protagonist ja die schöne Mutter des entführten Kindes …

Ach, die Liebesgeschichte … Das ist halt das Zugeständnis an den Sendeplatz um 20.15 Uhr. Wir haben nun leider die Quotendiskussion, nach der vor allem die Zuschauerzahlen entscheiden, wie erfolgreich ein Fernsehfilm in den Augen der Senderchefs ist. Da gehört es dazu, sich auch in kritischen Filmen zumindest in Phasen dem Massengeschmack zu stellen und ihn mit in die Handlung einfließen zu lassen.

Von Regisseuren und Autoren hört man immer häufiger, dass die Sender ihnen politische Stoffe nur noch abkaufen, wenn sie als Krimi verpackt sind. Sie drehen auch viele „Tatorte“. Woran lag es, dass Sie „Eine Frage des Gewissens“ als normalen TV-Film drehen konnten?

Ich habe das große Glück, solche Filme machen zu können, weil ich Redakteure gefunden habe, die sich was trauen. Ansonsten erlebe ich leider immer häufiger, wie viele zeitpolitische Themen schon in der Exposé-Phase stecken bleiben. Ich wünsche mir mehr Mut in manchen Redaktionen und Produktionen, auch aktuelle heiße Eisen anzupacken. Und zwar so, dass sie nicht verkitschen, sondern klar, sachlich, aber auch emotional auf den Punkt gebracht werden.

Damit scheint aber kein Durchkommen in den Redaktionen zu sein. Momentan dominieren historische Stoffe – siehe „Sturmflut“ oder „Dresden“.

Offensichtlich ist es zurzeit im deutschen Fernsehen leichter, Probleme zu thematisieren, deren Lösung 50, 60 Jahre zurückliegen. Das hat den großen Vorteil, dass man sich nicht direkt dazu verhalten muss. So wird aktuellen Diskussionen systematisch aus dem Weg gegangen. Aber wenn wir so weitermachen, werden wir uns irgendwann von den Jüngeren fragen lassen müssen: Wo habt ihr gesteckt, als Guantánamo war? Als es um die Rolle des BND im Irakkrieg ging? Oder: Was war da für ein Schmierentheater um Mannesmann, die Gewerkschaft und die Deutsche Bank? Warum macht ihr darüber keine Filme, warum packt ihr diese Themen nicht an? Es ist doch beschämend für unsere Filmgeneration, dass wir offensichtlich zu wenig Mut besitzen, um uns diesen aktuellen Fragen breiter zu stellen. Wir vergangenheiten uns gerade zu Tode. Wir sollten uns mehr um die Jetztzeit kümmern. Ansonsten verlieren wir als Filmemacher unsere Glaubwürdigkeit.