Mehr ältere Menschen erwerbslos: Regierung schönt Arbeitslosenstatistik
Sie haben keinen Job, werden aber bei der Agentur für Arbeit nicht mitgezählt: Mehr als 100.000 Erwerbslose über 58 Jahre, die wenigstens 12 Monate Hartz IV beziehen, gelten nicht als arbeitslos.
MÜNCHEN dpa/dapd | In Deutschland sind mehr als 100.000 ältere Menschen bei der Bundesagentur für Arbeit registriert, ohne in der Arbeitslosenstatistik mitgezählt zu werden. Das hat das Bundesarbeitsministerium in einer Antwort auf eine Anfrage der Grünen bestätigt, die der Süddeutschen Zeitung vorliegt.
Hintergrund ist dem Bericht zufolge eine Sonderregelung, die 2008 von der großen Koalition eingeführt wurde: Wer mindestens 58 Jahre alt ist und wenigstens zwölf Monate Arbeitslosengeld II (Hartz IV) bezieht, ohne ein Jobangebot bekommen zu haben, gilt nicht als arbeitslos.
Im November 2011 seien dies bereits knapp 105.000 Personen gewesen, teilte das Arbeitsministerium in seiner Antwort mit - so viele wie nie zuvor. Würde man diese Gruppe in die Statistik einrechnen, ergäbe sich eine Arbeitslosenquote der 55- bis 64-Jährigen von 9,7 und nicht von 8,0 Prozent.
Die Grünen werfen der Bundesregierung deshalb vor, bei den Arbeitslosenzahlen vor der Einführung der Rente mit 67 zu tricksen. Arbeitsmarktexpertin Brigitte Pothmer forderte eine "ehrliche Arbeitslosenstatistik, die nicht länger die Probleme verschleiert". Ältere Arbeitslose dürften nicht aus dem Blick geraten, nur weil sie nicht in der Statistik seien, sagte sie der Zeitung.
Leser*innenkommentare
Andrea
Gast
Zum Tenor "Ist doch nix Neues...":
auch wenn Sachverhalte nicht neu sind, halte ich es doch für sehr sinnvoll, diese angesichts der grassierenden Vergesslichkeit immer wieder auf's Tapet zu bringen, gegebenenfalls in unterschiedlichen Zusammenhängen. Ebenfalls nicht vergessen sollte man, dass es ja immer wieder neue (junge und vielleicht auch "aufgewachte" ältere) Interessenten für Information gibt.
Guenter
Gast
Die präsentierten Arbeitslosenzahlen sind geschönt.
Die tatsächlichen Arbeitslosenzahlen werden bewußt verschwiegen und durch Manipulation kleingerechnet.
Die verantwortlichen Politiker wollen doch nur in der Öffentlichkeit glänzen.
Die Bundesarbeitsministerin ist kritikresistent, denn sobald kritische Fragen gestellt werden, entfernt sie sich.
Stefan Schridde
Gast
Wo bitte findet sich die Rechtsgrundlage für die im Artikel angesprochenen Sonderregelung?
Thanthalas
Gast
Selbst bei Wikipedia kann man herausfinden, dass die 58+ Arbeitslosen früher oder später rausfallen. Warum das jetzt so hochgespielt wird ist mir schleierhaft. Verschiedene Quellen gehen von einer Arbeitslosenreserve von 1,2 Mio aus. mit den 2,8 in der Statistik haben wir 4 Mio.
Da fällt mir dann spontan auch wieder die Mähr vom Fachkräftemangel ein...
Jeff R. Schilling
Gast
seit dem dicken Ehrenwort ist das ein übliches Vorgehen; jedes Jahr wird neu an der Statistik gebastelt
Winston Smith
Gast
Diese Tatsache ist mir persönlich nicht neu. Kranke AlGII-Empfänger mit Krankenschein sowie z.B. ALGII-Empfänger in Maßnahmen zur Qualifizierung und Weiterbildung der BA bzw. der Jobcenter gelten auch nicht als arbeitslos, tauchen also ebenfalls nicht in der Arbeitslosenstatistik aus. Ich wundere mich schon sehr über die "neuen Erkenntnisse". George Orwell lässt grüßen.
Winston Smith
Gast
Diese Tatsache ist mir persönlich nicht neu. Kranke AlGII-Empfänger mit Krankenschein sowie z.B. ALGII-Empfänger in Maßnahmen zur Qualifizierung und Weiterbildung der BA bzw. der Jobcenter gelten auch nicht als arbeitslos, tauchen also ebenfalls nicht in der Arbeitslosenstatistik aus. Ich wundere mich schon sehr über die "neuen Erkenntnisse". George Orwell lässt grüßen.
eeg-profitierer und damit raibachmacher
Gast
Diese statistische Trickserei von 2008 hat die SPD zu verantworten, die in der großen Koalition das Arbeitsministerium inne hatte und diese Regelung so durchsetzte. Ihren Wunschkoalitionspartner wagen die besserverdienenden Grünen aber nicht so recht angreifen. Mal wieder ein typisches grünes Ränkespiel.