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■ Kabinett beschließt Haushalt 94 samt Sparpaket und flexiblerer Arbeitszeiten

Bonn (dpa/taz) – Das Bundeskabinett hat gestern einstimmig den Bundeshaushalt für 1994 verabschiedet. Trotz eines Sparpaketes in Höhe von 21 Milliarden Mark wird die Netto-Neuverschuldung 1994 und 1995 mit 67,5 Milliarden Mark auf dem Niveau des laufenden Jahres bleiben.

Die Haushaltsexperten der CDU/CSU-Bundestagsfraktion und die FDP-Fraktion kündigten an, daß sie bei den parlamentarischen Beratungen weitere Einsparungen von mindestens drei Milliarden Mark einbringen wollen. Damit soll verhindert werden, daß die Neuverschuldung höher ist als die geplanten Investitionsausgaben des Bundes, wie es gegenwärtig der Fall ist. Dies verstößt gegen Artikel 115 des Grundgesetzes und ist nur in Ausnahmesituationen zulässig. Finanzminister Waigel hat den Verfassungsverstoß mit der „Abwehr einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichtes“ gerechtfertigt.

16 Milliarden Mark des Sparpaketes entfallen auf Sozialleistungen. Vorgesehen sind unter anderem dreiprozentige Kürzungen bei Arbeitslosenhilfe, Eingliederungshilfe und Kurzarbeitergeld. Das Arbeitslosengeld wird mit zunehmender Bezugsdauer gekürzt, die Arbeitslosenhilfe wird höchstens noch zwei Jahre ausgezahlt. Das Schlechtwettergeld wird zum 1. Juli 1994 abgeschafft. Auch die Arbeitnehmer-Sparzulage soll gestrichen werden.

Scharfe Kritik kam von der SPD, deren Haushaltsexperte Helmut Wieczorek meinte: „Der Marsch in den finanzpolitischen Kollaps geht weiter.“ SPD-Steuerexperte Joachim Poß kritisierte, die groß angekündigte Bekämpfung von steuerlichem Mißbrauch, Steuerhinterziehung und Wirtschaftskriminalität sei „in völlig unzureichenden Ansätzen steckengeblieben“.

Der Bund der Steuerzahler vermißte Vorschläge zur Kürzung der Subventionen in der regionalen Wirtschaftsförderung sowie in der Landwirtschaft, bei der Kohle und der Wohnungsförderung.

Das Kabinett billigte auch den Entwurf für ein neues Arbeitszeitgesetz. Bundesarbeitsminister Blüm und Wirtschaftsminister Rexrodt nannten als eines der Ziele, die Maschinenlaufzeiten in Deutschland zu verlängern. Sonn- und Feiertagsarbeit kann künftig genehmigt werden, wenn nachweislich nur dadurch in einer internationalen Konkurrenzsituation Arbeitsplätze zu sichern sind. Möglich wird auch eine flexiblere Wochenarbeitszeit. Arbeitnehmer dürfen künftig bis zu zehn Stunden am Tag arbeiten. Der Ausgleich auf durchschnittlich acht Stunden am Tag kann künftig innerhalb von sechs Monaten erfolgen. Bislang waren es zwei Wochen. Die stellvertretende DGB-Vorsitzende Ursula Engelen-Kefer sprach von einem „unsozialen Rückschritt“.

Siehe auch Seite 5

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