: Mehr Hilfe für Familien
■ Kinder in Krisen: Mehr Hilfe im Alltag für die eigenen vier Wände
Manchmal ist ein Schritt ganz leicht. „Daß sich ein Vater traut, sich auf den Fußboden zu setzen, wo sein Kind spielt“, erzählt Familienhelferin Erika Ruppenthal, „kann schon viel wert sein. Entscheidend ist, daß sich die kleinen Dinge verändern.“ Wie das am besten passieren kann, darüber debattierten in der letzten Woche rund 90 FamilienhelferInnen aus Bremen in der Findorffer St.-Bonifazius-Gemeinde auf einem Fachtag.
Sozialpädagogische Familienhilfe setzt ein, „wenn Familien nicht klar kommen“, sagt Caritas-Direktor Werner Fühner-Walbelder. Sein Verband organisiert zusammen mit der Hans-Wendt-Stiftung die Bremer Familienhilfe im Auftrag der Sozialämter: Beide Träger hatten im vergangenen Jahr zusammen über 100 „Fälle“ zu betreuen, der Bedarf steigt. Die von der Stadtgemeinde Bremen zur Verfügung gestellten Mittel werden deshalb auch in diesem Jahr von 1,5 auf 1,8 Mio. Mark erhöht.
Am Anfang der Hilfe steht eine Verhaltensauffälligkeit, die in der Schule oder im Kindergarten registriert wird: Lehrer oder ErzieherInnen benachrichtigen das Amt für Soziale Dienste, das eine sog. Fallkonferenz einberuft. „Die Familie muß sagen, was sie will, ohne sie läuft nichts“, sagt die zuständige Abteilungsleiterin bei der Hans-Wendt-Stiftung, Ursula Kohlstock. Ist die Familie bereit, den Helfer oder die Helferin zu akzeptieren, beginnt eine Probephase. Zwischen 6 und 15 Stunden pro Woche nehmen die FamilienhelferInnen am Alltag ihrer Klienten teil. Dort sorgen sie für Arztbesuche und Einkauf, kümmern sich um die Schulprobleme der Kinder oder organisieren Spiele. Ist die Probezeit beendet. bleibt der Helfer meist 18 bis 24 Monate bei seiner Familie.
Die Probleme sind riesig: Sexueller Mißbrauch, prügelnde Eltern, Sucht: Oft steht sogar die Frage zur Diskussion, ob ein Kind aus seiner Familie herausgeholt werden soll. „Meist hängt die Hilfe am jüngsten Kind, aber das ist immer nur das letzte Glied in der Kette“, sagt Erika Ruppenthal. Meßbare Erfolge können die HelferInnen nicht aufweisen, „aber es gibt schon schöne Ansätze, wo man sieht, daß in den Familien auch etwas passiert, während wir da sind.“ Es sei außerdem „kaum darstellbar, was durch die Arbeit eines Familienhelfers vermieden worden ist“, sagt Werner Fühner-Groß.
Es ging aber nicht nur um die Arbeit, sondern auch um die Helfer selbst. Die meisten arbeiten nämlich auf Honorarbasis, und das sorgt erstens für klägliche Verhältnisse und zweitens für eine hohe Fluktuation bei einer Arbeit, die auf Kontinuität ausgerichtet ist: Das Honorar schwankt nach Qualifikation zwischen 20 und 30 Mark pro Stunde, rund 60 der gut 100 Fälle sind 1993 über Honorare bezahlt worden. Die beiden Träger Caritas und Hans-Wendt-Stiftung wollen langsam Abhilfe schaffen und in diesem Jahr je zwei FamilienhelferInnen mehr einstellen, um die Familienhilfe als sozialpädagogisches Angebot stabilisieren. Aus gutem Grund: Vom 1. Januar nächsten Jahres an haben Familien einen Rechtsanspruch auf einen Familienhelfer. mad
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