Mehr Gerechtigkeit für Frauen: Scheiden soll weniger weh tun
Damit weniger Ex-Partner ihr Geld bei einer Scheidung "verschwinden lassen", wird der Zugewinnausgleich reformiert.
Bei Ehescheidungen soll künftig das Vermögen gerechter aufgeteilt werden - und finanzielle Tricks sollen verhindert werden. Am heutigen Donnerstag entscheidet das Parlament über einen Gesetzentwurf des Justizministeriums, der den sogenannten Zugewinnausgleich zum September reformieren soll.
Immer dann, wenn kein Ehevertrag vorliegt, wird bei einer Scheidung in Deutschland ein Zugewinnausgleich durchgeführt. Das bedeutet: Beim Ehemann und der Ehefrau wird verglichen, wie viel Geld sie jeweils zu Beginn und am Ende der Ehe besaßen. Wenn einer während der Ehe "reicher" wurde als der andere, wird das bei der Scheidung zur Hälfte aufgeteilt.
"Dahinter steckt, dass statistisch gesehen die Frau meist in Teilzeit oder gar nicht arbeitet und die Kinder betreut", erklärt die Berliner Anwältin für Familienrecht, Ingeborg Rakete-Dombek. Damit trage die Frau in der Regel dazu bei, dass der Mann Karriere machen und mehr beiseite legen könne. "Bei einer Scheidung wird das ausgeglichen."
Bisher wird jedoch nicht einbezogen, ob jemand mit Schulden in die Ehe ging. Laut Gesetzesentwurf soll das Minus künftig einbezogen werden. Ein Beispiel: Hat der Bräutigam bei der Hochzeit 50.000 Euro Schulden und bei der Scheidung 20.000 Euro Vermögen, wird künftig ausgerechnet, dass er insgesamt 70.000 Euro "hinzugewonnen" hat. Hatte seine Partnerin, die vielleicht Hausfrau ist, vorher und nachher kein Vermögen, steht ihr ab 1. September die Hälfte zu: 35.000 Euro. Nach jetzigem Recht bekommt sie nur die Hälfte der 20.000 Euro, also 10.000 Euro. "Das neue Gesetz ist gerecht, denn der Partner ist ja an der Tilgung der Schulden in der Ehe auch beteiligt", sagt Juristin Rakete-Dombek.
Auch weitere Korrekturen sollen für mehr Gerechtigkeit bei der Aufteilung des Vermögens sorgen - vor allem, wenn der reichere Partner aus Rache zahlungsunwillig ist. Nach jetzigem Recht kann er versuchen, sein Vermögen durch Reisen, Spielcasino oder andere Ausgaben schrumpfen zu lassen - damit er bei einer Scheidung weniger hergeben muss. "Zwischen Trennung und Scheidungsantrag liegt oft mehr als ein Jahr. Ich hatte schon einige Mandanten, da war plötzlich das Geld weg. Lebensversicherungen, Aktien, alles plötzlich verschwunden", so Rakete-Dombek. Diese Manipulation soll nun nicht mehr so einfach möglich sein. Denn die Beweislast liegt künftig so, dass man nachweisen muss, das Geld nicht "illoyal" verschleudert zu haben. Gelingt das nicht, muss man bezahlen - und im Zweifelsfall einen Kredit aufnehmen.
Zusätzlich können Ehepartner, um finanzielle Tricksereien zu verhindern, künftig auch Belege über das Vermögen schon am Tag der Trennung verlangen, also wenn man auszieht oder das gemeinsame Konto auflöst. Der Deutsche Juristinnenbund (DJB) hält diese Regelung für entscheidend. "Viel Geld verschwindet schon im Trennungsjahr", sagt Angelika Nake, DJB-Familienrechtlerin. Selbst während der Ehe wüssten viele Frauen nicht, wo der Mann sein Geld anlegt.
"Insgesamt profitieren eher Frauen von dem Gesetz", schätzt Juristin Nake. "Sie übernehmen eher die Kinderbetreuung und bekommen im Schnitt weniger Gehalt. Deswegen ist es im täglichen Leben oft so, dass Männer mehr verdienen und Geld zurücklegen können." Nake rät, um Streitigkeiten zu vermeiden, Verlobten zu einem Ehevertrag.
Auch der Interessenverband Unterhalt und Familienrecht (ISUV), der von Scheidung betroffene Menschen berät, begrüßt die geplanten Neuerungen. Die geplante Gesetzesänderung könnte tausende Menschen in Deutschland betreffen. Laut Statistischem Bundesamt wurden 2007 rund 187.000 Ehen geschieden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Umgang mit nervigen Bannern
Bundesrat billigt neue Regeln für Cookies