: Mehr Freizeit für Angestellte
Gewerkschaften und Opposition üben scharfe Kritik an Sparplänen der Ampelkoalition. Hauptpersonalrat spricht von „Wahlbetrug“, GdP will gegen betriebsbedingte Kündigungen klagen
von ANDREAS SPANNBAUER
Die Ankündigung des Regierenden Bürgermeisters Klaus Wowereit (SPD), im öffentlichen Dienst mehr Stellen als bisher vorgesehen einzusparen, hat scharfe Kritik bei Arbeitnehmerverbänden und der Opposition hervorgerufen. „Das ist schlichter Wahlbetrug“, sagte der Vorsitzende des Hauptpersonalrates des Landes Berlin, Dieter Klang, am Montag. „Die Beschäftigten werden sich das nicht gefallen lassen.“
Wowereit hatte zuvor sein Vorhaben bekräftigt, die Personalkosten im öffentlichen Dienst bis zum Jahr 2006 um 2 statt wie bisher angekündigt um 1 Milliarde zu senken. Um dieses Ziel zu erreichen, schließt Wowereit auch betriebsbedingte Kündigungen nicht aus. Derzeit gibt das Land insgesamt 14 Milliarden Mark für Personal aus.
Die geplanten Stellenstreichungen stoßen auch bei der Gewerkschaft der Polizei (GdP) auf entschiedene Ablehnung. „Wenn die Personaleinsparungen auch in der Exekutive verdoppelt werden, dann können wir die Arbeit der Polizei einstellen“, warnte der GdP-Landesvorsitzende Eberhard Schönberg. Im Fall von betriebsbedingten Kündigungen drohte Schönberg eine „Prozesslawine“ gegen das Land Berlin an. Bei Einsparungen von 2 Milliarden Mark stehen im öffentlichen Dienst bis zu 30.000 Stellen zur Disposition. Im Wahlkampf war noch von 15.000 bis 18.000 Arbeitsplätzen die Rede gewesen.
Die Landesvorsitzende der Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di, Susanne Stumpenhusen, beschuldigte die potenziellen Koalitionspartner, sich gegenseitig mit Sparankündigungen zu Lasten der Beschäftigten zu übertreffen. Stumpenhusen forderte das Land Berlin auf, die Beschäftigungssicherungsvereinbarung im öffentlichen Dienst fortzusetzen. Darin hatte die große Koalition 1999 betriebsbedingte Kündigungen im öffentlichen Dienst bis Ende 2004 ausgeschlossen. Betriebsbedingte Kündigungen seien unsinnig, da vor allem junge, qualifizierte Angestellte von ihnen betroffen wären. „Das zeugt von wenig arbeitsrechtlichem Sachverstand“, so Stumpenhusen weiter.
Auch bei der Opposition stießen die Pläne auf vehemente Kritik. „Es ist der falsche Weg, Geld zu sparen, indem man Menschen in die Arbeitslosigkeit schickt“, sagte der parlamentarische Geschäftsführer der CDU, Nicolas Zimmer. Diese Strategie führe lediglich dazu, Lasten von einer leeren öffentlichen Kasse in die andere zu verlagern. Dem Regierenden Bürgermeister warf Zimmer vor, „in hohem Maße unehrlich“ vorgegangen zu sein. Wowereit habe „aus wahltaktischen Gründen unliebsame Wahrheiten für sich behalten“. Der PDS-Haushaltsexperte Marian Krüger sagte, die Zielvorgabe von 2 Milliarden habe „mit einer soliden und kassenwirksamen Strategie nichts zu tun“. Er verlangte statt betriebsbedingter Kündigungen eine sparsamere Beförderung im öffentlichen Dienst.
SPD, FDP und Grüne hatten am Sonntag nach den Koalitionsverhandlungen Einsparungen im Personalbereich von bis zu 2 Milliarden Mark nicht mehr ausgeschlossen. Die Fachgruppe Personal/Finanzen muss nun am Mittwoch ein detailliertes Konzept erarbeiten. Beim nächsten Treffen der Koalitionsrunde am Samstag sollen dann erste Beschlüsse fallen. Allein die Grünen wollen 80 bis 100 Vorschläge zur Diskussion stellen. Schwerpunkte der Einsparungen könnten sich überschneidende Aufgabenbereiche von Ministerialverwaltung, Bezirksverwaltung und Landesämtern, die Personalverwaltung des Landes sowie die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung sein. Hier könnte nach Auffassung des Abgeordneten Oliver Schruoffeneger (Grüne) erheblich gespart werden.
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