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■ Spaniens Frauen sind heute anders – die Männer nichtMehr Flexibilität

Vor ein paar Jahrzehnten brauchten spanische Frauen noch die Erlaubnis ihres Mannes, um ein Bankkonto zu eröffnen. Vor ein paar Monaten kamen sechs Menschen bei der Stadt Ciudad Real wegen einer Abtreibung hinter Gitter – sie waren denunziert worden. Zwischen den beiden Situationen gibt es Unterschiede. Bei der ersten akzeptierte die Gesellschaft die Frau nicht als unabhängige und autonome Person, die in der Lage ist, mit Geld umzugehen. Bei der zweiten verweigerte sie ihr das Recht auf Selbstbestimmung über ihren eigenen Körper. Das „Gesetz über den Schwangerschaftsabbruch“ gestattet diesen nur unter ganz eng gesteckten Bedingungen.

Spanien befand sich einmal in der Avantgarde der europäischen Länder – das war 1936, als mit der Anarchistin Federica Montseny eine Frau in der Regierung der Zweiten Republik saß. Nur drei Jahre später zwang uns die Geschichte eine andere – männliche, militärische – Richtung in den Franquismus auf.

Heute ist Spanien die neunte Wirtschaftsmacht der Welt. Es ist voller Frauen, die berufstätig sind, produktiv und erfolgreich – auch wenn das männliche Werte sind. Wir Spanierinnen sind im Vergleich zu anderen Europäerinnen mit zwei Generationen Verspätung auf den Arbeitsmarkt gekommen. Aber jetzt sind auch wir unabhängiger von den Rollen geworden, die die machistische Ideologie für Frauen vorsieht. Langjährige Tabus wie Scheidung und Abtreibung sind gebrochen. Die Familienstruktur weicht zunehmend anderen Modellen des Zusammenlebens. Die traditionelle Frauenrolle ist in Frage gestellt. Die Mutterschaft ist von einem Muß zur Option geworden. Ledige gelten nicht mehr unbedingt als Außenseiterinnen. Es gibt nicht mehr nur das eine Modell der Frau. Kein Zweifel: Die spanische Gesellschaft ist flexibler geworden.

Wir Frauen haben männliche Bastionen erobert. Das hat uns große und einsame Anstrengungen gekostet. Doch während wir diese riesigen Schritte getan haben, klammern sich die meisten Männer an ihre alte Rolle. Auf ihre Privilegien und ihre Macht wollen sie nicht verzichten. Uns Spanierinnen gefallen heute Männer, die sensibel sind und die sich trauen, von Gefühlen zu sprechen. Solche, die weinen können und ihre Angst zugeben, die bereit sind, die Arbeiten im Alltag zu teilen.

Die spanische Frauenbewegung ist heute wieder auf der Suche. Die Krise der Ideologien, die die politischen Parteien erfaßt hat, ist nicht an ihr vorbeigegangen. Die Gesellschaft, die wir nicht so gemacht haben, zwingt auch uns ihre Bedingungen auf. Viele sind in die Parteien gegangen und reiben sich dort auf. Andere kämpfen darum, die Frauenquoten zu erhöhen, mehr Positionen im gesellschaftlichen „Oben“ zu erobern. Es geht heute aber nicht nur darum, die eroberten Rechte zu verteidigen, sondern auch darum, Positionen zu neuen Themen zu finden – allen voran zu dem Krieg in unserer Nähe. Eloisa Galindo

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