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Mehr Ellbogenfreiheit

■ betr.: "Allmählich werden die langen Haare grau" (Alternatives Ende?), taz vom 29.1.92

betr.: »Allmählich werden die langen Haare grau« (Alternatives Ende?), taz vom 29.1.92

Die Berichterstattung über den Alternativbetrieb Arbeitskreis Verkehr und Umwelt e.V. gibt ein zutreffendes Stimmungsbild aus der Koordinationsarbeit der deutschen Verkehrs-Bürgerinitiativen wieder; soweit dies in der Kürze angestrebt werden kann. Ein wesentlicher Punkt hat uns aber doch sehr betroffen gemacht, und wir möchten dies auch nicht unwidersprochen hinnehmen: Wir sind der Auffassung, daß verkehrspolitisch fortschrittlich orientierte Menschen in den Parteien, die Verkehrs- und Umweltverbände und die Verkehrs-Bürgerinitiativen eine »Zielgemeinschaft« zur Durchsetzung einer menschen- und umweltgerechten Verkehrspolitik darstellen. Die Bürgerinitiativen sind durch die grüne Parteienbewegung und die Bildung von Verbänden nicht untergegangen oder gar unwichtig geworden. Die drei Ebenen haben nebeneinander ihre Berechtigung, gleiche, aber auch teilweise recht unterschiedliche Aufgaben.

Wir haben nicht gesagt, daß es dem ADFC und dem VCD »nicht mehr um das Wesentliche« ginge. Wir haben gesagt, daß solche großen Organisationen zum Beispiel wegen Fördermitteln auch mal was machen müssen, was sie selbst gar nicht für das wesentliche halten. In dieser Hinsicht sind die Bürgerinitiativen in der Tat unabhängiger.

Wir haben auch keineswegs behauptet, daß der VCD auf Anfragen »nur allgemeine Antworten« gibt und »Hochglanzbroschüren« verschickt, und auch nicht, daß der ADFC nur »mitgliedsorientiert« betrachtet. Wir haben aber tatsächlich im Gespräch problematisiert, daß sich die großen Verbände schlichtweg schwer damit tun, auf Anfragen von Einzelpersonen oder Gruppen in diesem breiten Verkehrsbereich intensiv zu antworten. Vorteil der Bürgerinitiativen ist aus unserer Sicht tatsächlich das fehlende Problem, um Wähler oder Mitglieder werben zu müssen. Das gibt mehr Ellbogenfreiheit.

Diese unsere Aussagen sind aber schon etwas anderes als das, was zu diesen Punkten aus dem Artikel rüberkommt. Unsere »Gegner« sitzen an anderer Stelle, das wollen wir hier mal richtiggestellt haben. Bernd Herzog-Schlagk,

Mitarbeiter des AK Verkehr

[...] Die Aussage, daß es dem VCD »nicht mehr um das Wesentliche« (also um Veränderung der Verkehrsverhältnisse d.Verf.) ginge und er »vor allem Mitglieder werben müsse«, ist ebenso falsch wie die Unterstellung, wenn eine Bürgerinitiative (BI) den VCD um inhaltliche Auskünfte bittet, dieser nur einen »Hochglanzkatalog des Clubs zuschickt«.

Der VCD mit seinen (bundesweit) über 60.000 Mitgliedern ist der einzige Verkehrsclub, der eine Lobby für Benutzer von umweltfreundlichen Verkehrsmitteln darstellt. Um die derzeitigen, vor allem von der Autolobby hausgemachten, Verkehrsprobleme zu lösen, läßt er zum Beispiel Gutachten erstellen, führt Aktionen durch, erarbeitet Info-Materialien, führt Klagen gegen umweltzerstörende Verkehrsprojekte, wird von politischen Gremien angehört und so weiter. Auch kümmert er sich im Rahmen seiner Möglichkeiten um BIs, die allerdings oft unerfüllbare Erwartungen an den Club haben. So war zum Beispiel der VCD Landesverband Berlin vergangenes Jahr federführend an der Gründung und Koordination der BIs gegen die Aufhebung von Tempo 30 beteiligt, die durch ihr massives Auftreten (bis hin zu Verkehrsblockaden) die anachronistischen Pläne des Verkehrssenators — zumindest vorläufig — gestoppt haben. Und dies ohne »Hochglanzbroschüren« zu verteilen, die es beim VCD, nebenbei gesagt, gar nicht gibt (all unser Info- und Werbematerial wird auf Recyclingpapier hergestellt).

Und daß ein Verein Mitglieder braucht, um durch deren Beiträge überhaupt erst arbeitsfähig zu werden, ist so logisch, wie eine Straßenbahn Schienen braucht, um fahren zu können. Deshalb müssen wir natürlich auch Mitglieder werben, denn mehr Mitglieder bedeutet, personell und inhaltlich effektivere Arbeit leisten zu können. [...] Florian Heckhausen, Verkehrsclub Deutschland, Landesverband Berlin

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