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Mehr Abtreibungen

■ DDR-Frauenärztinnen: Schuld ist die Krise in der DDR / Anstieg familiärer Gewalt befürchtet

Berlin (taz) - Immer mehr schwangere Frauen in der DDR sehen sich veranlaßt abzutreiben - wegen der sozialen Unsicherheit, vor allem aber wegen der Angst, erwerbslos zu werden. Das berichteten FrauenärztInnen aus Ost-Berlin und Umgebung im Arbeitskreis „Gynäkologie und Geburtenhilfe“ der Westberliner ÄrztInnenkammer vergangene Woche. Nahezu alle der rund 40 TeilnehmerInnen bestätigten, daß die Abtreibungen in den letzten Wochen deutlich angestiegen seien. In zwei Fällen erwogen selbst Frauen einen Abbruch, die vorher wegen ihres Kinderwunsches behandelt worden waren. Zahlen, die diese Aussagen bestätigen, liegen bisher nicht vor.

Die ÄrztInnen aus der DDR forderten, daß den Frauen in der DDR künftig „die nach dem Stand der medizinischen Entwicklung bestmögliche Methode“ für einen Schwangerschaftsabbruch zur Verfügung stehen müsse. In der Regel ist das ein ambulanter Eingriff. In der DDR ist aber immer noch ein Krankenhausaufenthalt nötig, weil es diese ambulanten Möglichkeiten nicht gibt.

Die trüben ökonomischen Aussichten wirken sich auf DDR -Paare und -Familien auch so aus, daß viele Frauen jetzt von einer Scheidung Abstand nehmen und die Ehe als „Notgemeinschaft“ aufrechterhalten. Ursache dafür sei akute oder drohende Arbeitslosigkeit, berichteten Vertreterinnen aus Ostberliner Familienberatungstellen kürzlich auf einem Treffen mit dem Unabhängigen Frauenverband.

Diese „Notgemeinschaften“ zusammen mit dem psychischen Druck, den die Erwerbslosigkeit erzeugt, fördert die Gewalt gegen Frauen und Kinder in den Familien. Diese Befürchtung teilten auch die Gleichstellungsbeauftragten, die sich vergangene Woche in Ost-Berlin mit der Frauenerwerbslosigkeit befaßten (siehe taz vom 30.7.). Die Teilnehmerinnen wollen sich daher verstärkt für die Einrichtung von Frauenhäusern und Zufluchtswohnungen in ihren Kreisen und Städten einsetzen.

uhe

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