piwik no script img

Mehr- und MinderheitenEin paarmehr nur

Hamburger Soundtrack

von Nils Schuhmacher

Der Begriff „Nazi“ ist aus der Mode gekommen. Heute sagt man lieber: „rechtsextrem“. Daraus entstehen für alle Beteiligten Zuordnungs- und Einschätzungsprobleme. Die einen verfrachten den Personenkreis, um den es geht, an den gesellschaftlichen Katzentisch und sich selbst im selben Atemzug in die berühmte Mitte. Die als rechtsextrem Titulierten wiederum sehen sich oft ebenfalls in dieser Mitte. Umso leichter fällt ihnen das, wenn sie nicht ein kleiner Haufen sind, sondern ein großer. Welcher Wähler einer Partei, die bei einer Wahl 20 Prozent der abgegebenen Stimmen erhält, wird sich als ‚Extrembeispiel‘ begreifen oder so betrachtet werden können?

Ob nun Nicht-Nazi oder nicht-rechtsextrem: wenn an einem Ort eine solche Art von Normalität heraufzieht, dann können sich viele Leute schon mal was Warmes anziehen. Sie müssen ja damit rechnen, in Zukunft nicht nur von ein paar Randgestalten, sondern von einer sich gegenseitig aufputschenden Menge drangsaliert zu werden. Und da ist es dann schon fast egal, wie diese Menge korrekterweise zu nennen ist.

Die Band Jennifer Rostock (Di, 6. 9., Knust) aus Mecklenburg-Vorpommern hat in dieser Sache gerade in den Modus der Vorwärtsverteidigung geschaltet. Definitorische Feinheiten treten in den Hintergrund, es regiert Pop-Edutainment in einem kleinen Facebook-Liedchen, das das AfD-Parteiprogramm für sich sprechen lässt. Gut gemeinte Absicht, unklarer Erfolg, denn AfD-Wähler gehören eher nicht zur Klientel der Band.

Mit unerfreulichen Minderheiten wiederum haben The Selecter (Sa, 3. 9., Monkeys) ihre Erfahrungen gemacht. Die 1979 gegründete britische 2-Tone-Ska-Band hatte massive Probleme mit Nazi-Skins, die sich auf ihren Konzerten tummelten. Das kulturelle Missverständnis konnte aus dem Weg geräumt werden – auch, weil eine ganze Reihe von Bands begann, sich zu positionieren. Und was lernt man jetzt daraus? Schön, wenn einer was sagt. Noch viel schöner, wenn es noch ein paar mehr werden.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen