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■ Schöner LebenMegasocke

Noch etwas schlafmützig blätterte ich durch meine Sockenkiste, als es klingelte und ziemlich pünktlich Freund Rudi hereinstürzte, eine Golfkarre in der Linken, ein Magazin titels „WOMM – D A S Trendmagazin for Tomorrow“ in der Rechten. „Frotteesocken!“ ächzte er atemlos. „Blau-grau geringelt!“ Ich hielt ihm ein Paar hin, in der Annahme, daß es ihn nach dem genannten Artikel verlangte. Ich lag falsch – wie überhaupt ich auf ganzer Linie danaben lag bzw. war, jedenfalls in Rudis Augen. „Mega-out“ entquoll es ihm. „Das neue Ding: Barefoot-Look“, zitierte er flüssig anscheinend eines seiner Trendbreviere. „Dazu Ultralight-Sneakers mit Plateausohle, voll im Worker-Style“. Oder so ähnlich.

Langsam dämmerte es mir: Rudi war vom Fieber befallen. „Das neue Dress-Fieber“ nämlich, von dem er selbst mir anderntags leuchtend berichtet hatte. Oder – Moment – war's etwa „der Mega-Boom des Jahres“, der ihn infiziert hatte: „Die neue Sinnlichkeit der Männer“ (hieß es nicht doch eigentlich „Die neue Sinnlosigkeit der...“), von der ich andernorts lesen mußte? So ging es ja nun schon eine ganze Weile mit Rudi: Eines morgens war der rüstige Endzwanziger, bis dato stolzer Besitzer eines braunen Cord-Sakkos, hereingeschneit mit einem Fußball-Trainingsanzug, der aus den Glanzzeiten Sepp Herbergers zu stammen schien. „Old School“, strahlte Rudi, „drei Streifen!“

Zwei Wochen später bedeckte ein elefantöses T-Shirt große Teile der Trainingskluft (“Sloppy Style, mega-in!“). Dann kam die komische Kappe mit dem Heckspoiler, dann der Wechsel zu robusterer Kleidung: Stand er plötzlich in einer Art Holzfällerkluft für Leichtmatrosen vor mir und pries nunmehr seinen „Rancher-Style“ – „Costner hat ihn auch schon, die Neue Ernsthaftigkeit!“ Und nun dies. Taumelnd wich Rudi vor der Todessocke zurück; schon griff er – in der alerten Art eines Vampirjägers, der sein Kruzifix aus dem Ärmel schüttelt – nach „WOMM“. „Seite 13“, japste Rudi, „die IN/OUT-LIST“. Da stand es, Schwarz auf Weiß: „OUT: Barefoot-Look; IN: Frotteesocke, graublau.“ So schlurfte ich als Sieger davon. Bis zum nächsten neuen Ding.

Der Karlheinz

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