Meduza-Auswahl 20.–26. November: Wie nah das Russische Rote Kreuz dem Kreml steht
Der Organisation wird vorgeworfen, sich an der Arbeit „patriotischer“ russischer Organisationen zu beteiligen. Trotzdem erhielt sie weiterhin Gelder aus Europa.
Das russisch- und englischsprachige Portal Meduza zählt zu den wichtigsten unabhängigen russischen Medien. Im Januar 2023 wurde Meduza in Russland komplett verboten. Doch Meduza erhebt weiterhin seine Stimme gegen den Krieg – aus dem Exil. Die taz präsentiert seit 1. März 2023 unter taz.de/meduza immer mittwochs in einer wöchentlichen Auswahl, worüber Meduza aktuell berichtet. Das Projekt wird von der taz Panter Stiftung gefördert.
In der Zeit vom 20. bis 26. November 2025 berichtete Meduza unter anderem über folgende Themen:
Wie geht es weiter mit dem Friedensplan?
Die Ukraine und die USA haben sich auf „die meisten Punkte“ eines Friedensplans geeinigt – die Details werden die Staatschefs Wolodymyr Selenskyj und Donald Trump persönlich besprechen. Darüber hinaus werden die USA mit den europäischen Ländern die Punkte abstimmen, die sie direkt betreffen. Erst danach werden die amerikanischen Unterhändler versuchen, Russland mit „Zuckerbrot und Peitsche“ zu überzeugen.
Wie geht es nun weiter und wie wird Russlansd Präsident Wladimir Putin auf den geänderten Plan reagieren? Alexander Baunov, Senior Fellow am Carnegie-Zentrum für Russland- und Eurasienstudien in Berlin, hat dazu mit Meduza auf Russisch gesprochen. „Da der aktuelle Plan veröffentlicht wurde, bedeutet das für den Kreml, dass er nicht zum Nachteil Russlands geändert werden darf. Denn alle haben bereits die 28 Punkte zur Kenntnis genommen. Und müssen verstehen, dass das stolze Russland sich nun nicht mehr vor aller Augen beugen wird“, sagt er.
Das Russische Rote Kreuz in der besetzten Ukraine
Seit mindestens 2023 ist das Russische Rote Kreuz (RRK) mit finanzieller Unterstützung Moskaus in den besetzten Gebieten der Ukraine tätig. Im Jahr 2024 berichtete Meduza, dass Personen, die sich als Mitarbeiter der Organisation ausgaben, Kriegsgefangene in einer Kolonie in der Region Donezk misshandelten.
Nun hat Meduza erneut zum RKK recherchiert. In den letzten Jahren hat es sich noch tiefer in die Aktivitäten der russischen Militär- und Propagandamaschinerie verstrickt, berichtet das Exilmedium auf Russisch.Gleichzeitig erhält RKK weiterhin Millionen Euro von der Internationalen Rotkreuz- und Rothalbmondbewegung, die unter anderem von der Europäischen Kommission und anderen internationalen Organisationen finanziert wird. Das Russische Rote Kreuz erklärt offiziell seine Neutralität, beteiligt sich jedoch aktiv an der Arbeit militaristischer „patriotischer“ Organisationen. Und mehrere regionale Unterabteilungen des RKK waren Mitveranstalter von einem landesweiten Wettbewerb, bei dem Kinder ab acht Jahren unter anderem lernten, Waffen zu montieren und Drohnen zu steuern.
Waisenkinder an die Front
Tausende russische Waisenkinder wurden in die Ukraine geschickt, um dort zu kämpfen. Viele von ihnen wurden mit dem Versprechen gelockt, endlich eine Wohnung zu bekommen, auf die sie eigentlich bereits Anspruch hatten. Während die Behörden keine Angaben zur Zahl der Getöteten machen, haben Journalisten von RFE/RLs Sibir.Realii 190 Todesanzeigen für Waisenkinder gefunden, die in den letzten dreieinhalb Jahren an der Front getötet wurden. Meduza veröffentlicht eine Zusammenfassung ihrer Berichterstattung auf Englisch. Waisenhäuser veranstalten jeden Monat mehrere „patriotische Veranstaltungen“ und organisieren Treffen mit Soldaten, die von der Front zurückgekehrt sind. Die Kinder basteln Tarnnetze, schreiben Briefe an Soldaten und lernen sogar das Schießen. Sie nehmen an Zeremonien zur Enthüllung von Gedenktafeln für getötete ehemalige Zöglinge teil, und einige Einrichtungen besuchen mit den Kindern die Gräber ehemaliger Bewohner, die in der Ukraine getötet wurden.
Die Unsicherheit in Bezug auf Wohnraum bleibt ein zentraler Grund für die Meldung von Waisenkindern zum Militärdienst. Im September berichtete der Untersuchungsausschuss Russlands, dass 184.000 Absolventen von Waisenhäusern weiterhin auf der Warteliste für staatlich bereitgestellten Wohnraum stehen.
Angst vor dem Frieden
In einem englischsprachigen Interview erklärt Journalistin Farida Rustamova, wie Russlands Eliten von der Angst vor dem Krieg zur Angst vor dem Frieden gelangten.Rustamova ist überzeugt: Das Ausmaß an Angst unter den Eliten ist größer als zuvor. Der Selbstmord des Bundesverkehrsministers Roman Starovoit im letzten Sommer sei der deutlichste Beweis dafür.
Sie sagt: „Die Menschen im System befanden sich im Grunde genommen in einer Falle. Sie sind im Westen nicht willkommen, und ihr Leben hat sich dramatisch verändert. Früher konnten sie reisen, ihre Familien verbrachten viel Zeit im Ausland, und die Welt stand ihnen offen. Und, was wichtig ist, sie hatten die Möglichkeit zu fliehen. Nicht auf radikale Weise, indem sie sich von Putin oder dem System selbst lossagten und öffentlich Kritik äußerten, sondern einfach indem sie kündigten und in ein westliches Land zogen. Jetzt haben sie keine dieser Möglichkeiten mehr. Sie wissen, dass sie nirgendwo hingehen können, weil die russischen Sicherheitsdienste sie als Verräter betrachten würden, und sie haben Angst vor den Konsequenzen“.
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