Meduza-Auswahl 13.–19. November: Propaganda für Kirgistan
In dem zentralasiatischen Kirgistan wird ein neuer TV-Sender eröffnet: Er soll mit dem vom Kreml finanzierten RT in Verbindung stehen.
Das russisch- und englischsprachige Portal Meduza zählt zu den wichtigsten unabhängigen russischen Medien. Im Januar 2023 wurde Meduza in Russland komplett verboten. Doch Meduza erhebt weiterhin seine Stimme gegen den Krieg – aus dem Exil. Die taz präsentiert seit 1. März 2023 unter taz.de/meduza immer mittwochs in einer wöchentlichen Auswahl, worüber Meduza aktuell berichtet. Das Projekt wird von der taz Panter Stiftung gefördert.
In der Zeit vom 13. bis 19. November 2025 berichtete Meduza unter anderem über folgende Themen:
Zahlungsrückstände überall
In Russland bleiben immer mehr Löhne unbezahlt: Die Zahlungsrückstände haben sich innerhalb eines Jahres vervierfacht; Arbeitnehmer in der Bauindustrie, im Bergbau und sogar in der Verteidigungsindustrie geben an, dass sie seit Monaten keinen Lohn mehr erhalten haben. Offizielle Statistiken zeigen einen starken Anstieg der Lohnverzögerungen. Experten diskutieren nun, ob dieser Anstieg auf ein tieferes wirtschaftliches Problem hindeutet – oder lediglich eine statistische Schwankung widerspiegelt.
Das unabhängige Medium iStories sprach mit Arbeitnehmern und mit Ökonomen. Meduza veröffentlicht eine gekürzte Übersetzung ihres Berichts auf Englisch. Laut Rosstat konzentriert sich fast die Hälfte aller Lohnrückstände – etwa 44 Prozent – auf den Bausektor. Letzte Woche traten rund 300 Bauarbeiter an einem Kernreaktorstandort in der Region Uljanowsk wegen ausstehender Löhne in den Streik. Einige „sehen keine positiven Aussichten mehr, befürchten, dass das Unternehmen in Konkurs gehen wird, und haben bereits ihre Kündigung eingereicht“, sagte ein Mitarbeiter.
Medikamente aus Nordkorea für Russland
Nordkoreanische Pharmaunternehmen planen, Medikamente nach Russland zu exportieren. Dabei handelte es sich nicht um bekannte rezeptfreie Arzneimittel wie Ibuprofen, sondern angeblich um in Nordkorea entwickelte und hergestellte Originalpräparate. Diese Medikamente sollen angeblich alles von Hepatitis über Malaria bis hin zu Lähmungen heilen. Bislang gibt es keinerlei Beweise dafür, dass sie überhaupt wirken. Meduza erklärt, was genau Nordkorea auf den russischen Markt bringen will. Und ob die fraglichen Medikamente tatsächlich in den Apotheken des Landes erhältlich sein könnten (englischer Text).Klinische Studien sind zu den nordkoreanischen Präparaten nicht zu finden – was jedoch kaum überrascht, da nordkoreanische Wissenschaftler wohl nur selten in internationalen Fachzeitschriften veröffentlichen. Die Forschung zu den Inhaltsstoffen selbst beschränkt sich größtenteils auf Tierversuche oder sehr kleine Stichproben am Menschen – was bei Weitem nicht ausreicht, um die medizinische Wirksamkeit nachzuweisen.
Moskaus neuer Propagandakanal
In Kirgistan wird ein neuer Fernsehsender namens „Nomad“ eröffnet, der mit dem vom Kreml finanzierten Propagandasender RT und der Organisation des flüchtigen prorussischen moldawischen Geschäftsmanns Ilon Shor in Verbindung steht.
Laut einem Artikel von Radio Azattyk – Teil der Mediengruppe Radio Free Europe/Radio Liberty – wurden bereits führende Journalisten anderer Medien des Landes für den neuen Sender abgeworben, der voraussichtlich eine prorussische Agenda verfolgen wird. Meduza berichtet auf Russisch. Der Analyst Ruslan Akmatbek ist der Ansicht, dass der neue russische Fernsehsender ein Mittel ist, um Einfluss auf Kirgistan zu nehmen – insbesondere vor dem Hintergrund der Verschlechterung der Beziehungen zwischen Russland und anderen postsowjetischen Ländern wie Armenien, Aserbaidschan und Moldau.
Wie die EU ihre Visavergabe für Russen verändert
Im Jahr 2024 erhielten mehr als 500.000 Russen ein Visum für den Schengenraum der Europäischen Union. Fast die Hälfte davon erlaubt die mehrfache Einreise über viele Jahre hinweg. Die Europäische Union hat nun beschlossen, ein Verbot für Mehrfachvisa für russische Staatsbürger für den Schengenraum einzuführen.
Viele in Europa begrüßen die neue Politik der EU als längst überfällig – und sehen die Beschränkungen als vernünftige Sicherheitsmaßnahme und moralisch gerechtfertigte Strafe für die Bürger eines Staates an, der Krieg in der Ukraine führt.
Die meisten russischen Aktivisten und Journalisten sehen das anders: Die neue Mehrfachvisumpolitik Europas wird die Abläufe und Evakuierungspläne zunichtemachen, die es bislang ermöglicht haben, begrenzte Formen unabhängiger Berichterstattung und Aktivismus innerhalb Russlands fortzusetzen.
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