: Mediziner-Solidarität in der Grauzone
In Göttingen organisiert die Medizinische Flüchtlingshilfe für Menschen, die in der Illegalität leben. Sogar Krankenhäuser machen mit. Angst vor Strafverfolgung ist unbegründet: Es hat noch keine Anklagen gegen Mediziner gegeben, die „illegale“ Migranten behandelt haben
Die Lebensbedingungen von Asylbewerbern in Deutschland sind oft miserabel. Einigen Ausländern geht es aber noch schlechter: Flüchtlinge ohne Aufenthaltsstatus, so genannte „Illegale“, können zum Beispiel noch nicht einmal zum Arzt gehen. Denn sie haben keine Chipkarte, keine Krankenversicherung und meistens auch kein Geld für eine medizinische Behandlung.
Ausländer ohne Papiere sind deshalb auf besondere Hilfe angewiesen, um an notwendige ärztliche Versorgung und Medikamente zu gelangen. In Göttingen unterstützt der Verein Medizinische Flüchtlingshilfe die „Illegalen“. „Im Schnitt kommen zweimal in der Woche Flüchtlinge ohne Papiere und Krankenversicherung zu uns, die zum Arzt müssen“, berichtet die Initiative. Man vermutet dort, dass insgesamt 500 bis 1.000 Flüchtlinge unregistriert in der Universitätsstadt leben, bundesweit sogar mehrere hunderttausend.
Die Medizinische Flüchtlingshilfe hat Kontakt zu etwa zehn Göttinger Ärztinnen und Ärzten, die regelmäßig „Illegale“ behandeln – meistens kostenlos und ohne nach ihrer Adresse und Papieren zu fragen. Auch einige Krankenhäuser seien in das Göttinger Netzwerk eingebunden, die bei Operationen zumindest einen Teil der Kosten übernehmen. In den vergangenen Jahren sind in mehreren Großstädten solche Netzwerke entstanden. Hebammen, Ärzte und Krankenhäuser unter anderem in Bremen, Hamburg und Hannover helfen jedes Jahr mehreren tausend Menschen ohne Papiere.
Manchmal winken die kontaktierten Mediziner ab. Einige hätten Angst, sich an möglicherweise unrechtmäßigen Aktionen zu beteiligen und sich dabei strafbar zu machen, sagt der Göttinger Migrationsforscher Holk Stobbe. Zu Anklagen oder auch nur Ermittlungen sei es bei medizinischer Hilfeleistung für „Illegale“ bislang jedoch nirgends gekommen. REIMAR PAUL