Philipp Osten im Gespräch : Impfen war immer umstritten
Von Pocken über Masern zu Corona: Der Medizinhistoriker Philipp Osten im Gespräch mit Jan Feddersen über Impfungen und Seuchen in der Geschichte.
Von SHOWMIK KHAN
„Einen Medizinhistoriker zerrt man hinter dem Ofen hervor und fragt ihn: Wie ist denn das mit den Seuchen ihr kennt euch doch damit aus.“ zitiert Dr. Osten und beginnt das Gespräch mit Jan Feddersen. Anhand einer Moulage, eines präzisen medizinischen Wachsmodells, erläutert Dr. Philipp Osten die Pockenkrankheit, die den Beginn der Impfgeschichte darstellt.
Impfen kann nicht ausschließlich als Segen gewertet werden, wenn man sich ihren historischen Verlauf ansieht, der mit viel Risiko und Experimenten behaftet ist. Anfänglich, mit archaischen Methoden, wurde das Sekret aus den Menschenpocken als Impfung genutzt. Der Nachteil dabei war die enorme Sterblichkeitsrate der Geimpften. Ein Wechsel auf die Rinderpocken, als Impfstoff führte daraufhin zu einer verbesserten Immunität und ersten Fortschritten in der Impfgeschichte.
Das Impfen entstand zu Zeiten der Not und musste trotz Risiko weiterentwickelt werden. Zu Beginn der Impfungen waren die hygienischen Zustände katastrophal, die dazu führten, dass andere Krankheiten sich verbreiten konnten. Die Impfungen gegen Polio zeigten deutliche Erfolge zur gesellschaftlichen Immunisierung. Es wurde ein Polioerreger ohne Lähmungserscheinung verabreicht, um einen tödlichen Krankheitsverlauf zu verhindern.
Die Zuschauerfragen fokussieren sich auf den Aspekt der Impfschäden, zu dem Dr. Osten klare Stellung bezieht, da das RKI (Robert-Koch-Institut) Impfschäden streng kontrolliert. Zusätzlich betont er, dass der Staat für Impfschäden haftet. Jan Feddersen fragt Philipp Osten offen, ob er dazu bereit wäre sich einer Corona-Impfung zu unterziehen. „Aufjedenfall lass ich mich impfen!“ erwidert Osten äußert aber dabei den Wunsch, dass er einen Impfstoff bevorzugen würden, der eine weitere Infektion verhindert.
Ob der neue mRNA Wirkstoff eine Zukunftsperspektive sei, um künftige Krankheit zu bekämpfen, darüber kann der Historiker keine Auskunft geben, doch kann er sich die durchaus vorstellen, da diese Art von Wirkstoff auf den Erreger zugeschnitten sei.
Der Kampf zwischen Pandemien und Menschheit stellt nicht nur in der Geschichte, sondern auch heute die Gesellschaft vor und alten Herausforderungen mit den Fragen, was hat man aus historischen Seuchen gelernt und was lernen wir aus dieser. Dabei drückt dieser Vergleich mit historischen Krankheiten den Wunsch auf ein mögliches Ende der aktuellen Pandemie aus.
Krankheiten bzw. Pandemien zeigen sich rückblickend als gesellschaftlicher Spiegel, so wie die Moderne durch die Pest angestoßen wurde. Was Corona über uns sagen wird, lässt sich heute noch nicht beurteilen.
Philipp Osten, Jahrgang 1970, ist Direktor des Instituts für Geschichte und Ethik der Medizin und des Medizinhistorischen Museums am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, wo für dieses Jahr eine Corona-Ausstellung in Vorbereitung ist.
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taz Talk #96 – Philipp Osten über die Geschichte des Impfens
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