Medizin-Nobelpreis: Späte Genugtuung für HIV-Entdecker
Das Nobelpreis-Komitee hat die Franzosen Montagnier und Barré-Sinoussi für die Entdeckung des HI-Virus geehrt. Richtig so - denn Nobel wollte Erstentdecker auszeichnen.
In der Medizin gab es in diesem Jahr eine Doppelehrung für die Virologie. Der Preis wurde halbiert. Die eine Hälfte ging an die Entdecker des Aidsvirus HIV, an Luc Montagnier (76) und an seine damalige Mitarbeiterin, die Medizinerin Françoise Barré-Sinoussi (61). Nach Ansicht des Nobelpreiskomitees haben die beiden Forscher vom Pasteur-Institut in Paris die entscheidenen Arbeiten bei der Endeckung des HI-Virus gemacht. Montagnier und Barré-Sinoussi teilen sich die eine Hälfte des mit rund einer Million Euro dotierten Nobelpreises.
Die andere Hälfte geht an den Heidelberger Krebsforscher Harald zur Hausen. Der 72-jährige zur Hausen wird für die Aufklärung der krebsauslösenden Wirkung von Papillomviren geehrt, heißt es in der Begründung des Karolinska-Instituts. Mehrere Virentypen aus der Gruppe der Humanen Papillomviren (HPV) sind für die Enstehung von Gebärmutterhalskrebs verantwortlich. Dass heute Impfstoffe gegen mehrere HPV-Typen verfügbar sind, ist auf die Arbeiten des Heidelberger Krebsforschers zurückzuführen.
Ein Nobelpreis für die Entdeckung des Aidsvirus war von vielen Experten schon lange erwartet worden. Dass nur die Arbeiten des Pasteur-Instituts geehrt wurden, war hingegen eine Überraschung. Der Nobelpreis sei ein "Ohrfeige" für den US-Virologen Robert Gallo, titelten einige Zeitungen.
Auf den Webseiten des von Gallo gegründeten und geleiteten Institute of Human Virology (IHV) in Baltimore wird der Forscher als "Mitentdecker" des Aidsvirus HIV vorgestellt. Dass der US-Virologe beim Nobelpreis für die Entdeckung des HIV leer ausgeht und in der Begründung noch nicht einmal erwähnt wird, damit hat Robert Gallo nicht gerechnet. Dabei gab es sogar einmal eine Zeit, da beanspruchte er der alleinige Endecker des Aidsvirus zu sein.
1984 gab das US-Gesundheitsministerium bekannt: Die Ursache von Aids sei gefunden worden. Robert Gallo an den National Institutes of Health (NIH) habe den Erreger gefunden, ein Virus, das damals noch als HTLV-III bezeichnet wurde. Gallo habe sogar einen Bluttest zum Nachweis des HIV entwickelt.
Was Gallo damals verschwieg, war, dass er den Virus aus einer Probe isolierte, die er von Montagnier vom Pariser Pasteur-Institut erhalten hatte. Die Forscher am Pasteur-Institut hatten zuvor schon aus den Blutproben eines Aidspatienten einen bis dahin unbekannten Virus isoliert und beschrieben. Diesen LAV genannten Virus hielten sie für den Aids-Erreger.
Erst viel später stellt sich dann heraus, dass HTLV-III und LAV identisch waren. Der bis dahin weltweit gefeierte Gallo musste dann auch eingestehen, dass er seinen Aids-Virus aus den Blutproben des Pasteur-Instituts isoliert hatte.
Damals ging es nicht nur um die Ehre, sondern auch um sehr viel Geld. Denn sowohl Gallo als auch Montagnier hatten für den Virus und entsprechende Nachweisverfahren Patentanträge eingereicht. Obwohl die Franzosen ihren Patentantrag ein halbes Jahr vor Gallo gestellt hatten, einigten sich Regierungsvertreter aus Paris und Washington 1994 darauf, dass die Lizenzeinnahmen für die Aidstests geteilt werden sollen. Der damalige NIH-Direktor Harold Varmus sagte nach der Unterzeichnung des "wissenschaftlichen Friedensvertrags", "Forscher der NIH benutzten ein Virus, das ihnen vom Pasteur-Institut zur Verfügung gestellt worden war, um einen amerikanischen Aidstest zu entwickeln."
Die Frage, ob Robert Gallo damals bewusst seine französischen Kollegen hintergehen wollte oder ob nicht doch alles nur ein Missverständnis war, wird wohl auch künftig ungeklärt bleiben. Für die Franzosen jedoch muss die Aufteilung des HIV-Nobelpreises eine verspätete "Wiedergutmachung" sein. Das entspricht übrigens auch den Vorgaben von Alfred Nobel: Der Erstentdecker soll ausgezeichnet werden.
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