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Meditative Fürbitten

■ Giora Feidmanns „Bakashot“ im Michel

„Natürlich kann Musik nur eine Geste sein“, schränkte NDR-Intendant Jobst Plog die mögliche Mission des Giora Feidmann ein. Mit unangebrachter Selbstgefälligkeit versuchte sich der als Nathan der Weise und erzählte von der Toleranz zwischen Juden, Christen und Moslems. Plog hatte ihn zuvor einen „pazifistischen Kreuzritter“ genannt, was einem kirchlichen Rahmen zuträglich sein mag, aber keineswegs einem aufgeklärten Publikum. Im Michel fand am Mittwochabend die Welturaufführung des Konzertes Bakashot statt, das als Auftragswerk des NDR von der Israelitin Betty Oliviero komponiert wurde. Bakashot, zu deutsch „Fürbitten“, beschloß ein beeindruckendes Konzert einer modernen Berio-Schülerin. Das NDR-Orchester spielte unter der Leitung von Lior Shambadal das von Feidmann initiierte Ensemble aus Klezmer-Liedern, einem jüdischen Klassiker von Ernesto Bloch Shelomo und eben Olivieros Bakashot.

Mißfielen eingangs Feidmanns Binsenweisheiten („One god, one Tora, many different ways...The music brings us together“) und die etwas verlorenen Klezmer-Stücke, so brach in der zweiten Hälfte das Orchester zu einer erregenden Aufführung auf.

Ernesto Blochs Shelomo blieb weit entfernt von folkloristischen Elementen der Idee der hebräischen Melodie treu. Lior Shambadal dirigierte diesen Teil ebenso bestimmt und genau wie im abschließenden Bakashot. Ohne überflüssige Gesten stellte er den Hauptdarsteller des Abends weit in den Schatten. Die Komposition für Chor und Orchester gründet auf dem täglichen Gebet des gläubigen Judens. Die Strenge des Glaubens und die Qual der Emotionen gipfelten in meditativen Genuß.

„Natürlich kann Musik nur eine Geste sein“, aber am Vorabend des deutschen Feiertages war es die entschieden souveränste Geste der Medien, der Kirche und der Zuschauer. Elsa Freese

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