Medienpolitik im Bundestag: Wie eine Ministerin ins Gestern reiste
Medienpolitik findet vorwiegend abends statt. In Sonntagsreden ist Presse wichtig, ihre Freiheit noch wichtiger. Doch wie sieht es in der parlamentarischen Realität aus?
Medienpolitik, das lehrt ein Blick auf die Tagesordnung des Deutschen Bundestags, findet dort vorwiegend abends statt. Und auch das verschiebt sich noch mal gern: An diesem Donnerstagabend ist gerade noch die Gemeinsame europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik, kurz SVP, dran. Und der Abgeordnete Kiesewetter von der CDU sagt beruhigenderweise, das diese SVP natürlich nicht, wie von den Linken behauptet, vor dem Zerfall steht.
Da sieht es mit der Medienpolitik schon anders aus. Weil heute die Netzpolitik sexy ist, auch wenn man das Internet nicht wirklich versteht. Also haben alle Parteien Netzpolitik und Medienpolitik als zwei getrennte Bereiche organisiert, wobei die klassischen Medien natürlich so was von gestern sind, deswegen ja auch die späten Sendeplätze.
Vergangenen Donnerstag war die nicht ganz unwichtige Debatte, ob und wie es mit dem Zeitungsgrosso, dem Zwischenhandel zwischen den Verlagen und Kiosken, weitergeht, im Bundestag – und kurz vorm Schlafengehen dran. Beziehungsweise eben nicht: „Interfraktionell“, wie das so schön heißt, einigen sich die Damen und Herren Abgeordneten dann nämlich darauf, nach Hause zu gehen und ihre Reden „zu Protokoll zu geben“. Also nix Debatte, theoretisch kann man das dann irgendwo nachlesen. Was sich aber vermutlich kein Schwein antut.
Eine waschechte Ministerin
Heute ist das ein bisschen anders, denn jetzt kommt TOP 11 und hier wird noch live geredet. Es geht schließlich um die Stärkung der Pressefreiheit. Lange hatte die Regierung nach dem Cicero-Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 2007 mit sich gerungen, jetzt ist es so weit.
Und sogar 33 Abgeordnete sind noch da und eine waschechte Ministerin. „Die freie Presse ist unverzichtbar“, sagt Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP), und die Leute aus ihrer Fraktion klatschen ob dieses Gemeinplatzes, während der Koalitionspartner CDU/CSU stoisch dreinblickt. Denn eigentlich ist die Union ja noch sauer auf die FDP, beinahe hätte die Bundesregierung deshalb auch den Top 11 wieder von der Tagesordnung genommen, hieß es noch am Mittwoch in Parlamentskreisen: FDP-verantwortete Kisten auflaufen lassen, als Rache für Gauck und so.
Hätte bei Pressefreiheit aber blöd ausgesehen, da sind ja nun wirklich alle für. Wenn auch nicht so ganz. Konkret soll die Beihilfe zum Geheimnisverrat im Strafgesetzbuch gestrichen werden. Der Paragraf wurde nämlich gern bemüht, um auf dem Umweg über die Medien an die Informanten in den Behörden zu kommen – im Falle Cicero suchte damals das BKA nach einem Leck.
Genützt hat das nie was, nur die Journalisten wurden geschurigelt und Deutschland rutschte im Pressefreiheitsranking von Reporter ohne Grenzen ins Mittelfeld ab. Schnarri redet ohne zeitliche Begrenzung, dann darf die SPD acht Minuten ihren Senf dazugeben, die CDU und CSU je sechs, Grüne und Linke dafür nur vier – streng nach Mandaten quotiert.
Grünen und SPD geht der Entwurf nicht weit genug, die Grünen fordern, auch die Anstiftung zum Geheimnisverrat aus dem Strafkatalog zu streichen. Denn wer entscheide denn, fragt die medienpolitische Grünen-Sprecherin Tabea Rößner, wo Anstiftung anfängt? Das geht der Union natürlich zu weit und die SPD hat eh einen ganz anderen Ansatz – egal, die Mehrheiten stehen und der Regierungsentwurf kommt durch.
Viel später, unter Top 24, geht es noch mal um Medienpolitik, nämlich um die geplante Neuregelung des besonderen Kartellrechts für die Presse. Das soll beschnitten werden, um Fusionen und Zusammenschlüsse zu erleichtern. Doch jetzt ist es schon fast neun Uhr abends, die Reden gehen – wieder klassisch – zu Protokoll und das Ganze wird an die Ausschüsse überwiesen.
Leutheusser-Schnarrenberger ist da längst weg. Es war ein großer Tag für die FDP, und keiner hat „Schlecker“ gesagt.
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