: Mediengipfel
Der Weltumweltgipfel in Rio ist vorbei. Eigentlich sollte es das Jahrhundertereignis sein, die Wende in der Umweltpolitik, 180-Grad-Drehung am Rande des Abgrunds und nun die Rettung unseres kollabierenden Planeten mit aller Kraft in Angriff genommen. Denn daß es schlecht steht um Mutter Erde, so weit war man sich einig. Daß die Politiker einmal mehr versagt haben und einmal mehr ihre Unfähigkeit unter Beweis gestellt haben, unsere Zukunft und die Zukunft unserer Kinder und Enkel zu sichern, ist inzwischen trauriges Allgemeinwissen. Politiker gehören anscheinend zu den geistig beschränktesten Menschen der Gesellschaft, weil sie nur in Vier- oder Fünf-Jahres-Wahlrhythmen denken können. [...]
Doch um die Politiker soll es diesmal gar nicht gehen. Es gibt da noch so etwas, was sich gerne als „die vierte Macht“ bezeichnet, die Presse und die Medien allgemein. Sie bilden ja schlechthin „die Öffentlichkeit“ und tragen heute wesentlich zur Meinungsbildung in den industrialisierten Ländern bei. Vor allem bestimmen sie, was wichtig und was unwichtig ist. [...] Und die Menschen nehmen es dementsprechend wahr.
Die Medien in Deutschland haben zum Umweltgipfel in Rio genauso jämmerlich versagt wie die Politiker. Nirgendwo war zu merken, daß man sich da ein paar tausend Kilometer von Deutschland entfernt traf, um über unsere Zukunft zu entscheiden. Keine täglichen stundenlangen Sondersendungen über das Elend in der Zweidrittelwelt, die wachsenden Wüsten, die verschwindenden Wälder, Pflanzen und Tiere, das im Dreck ersaufende Meer oder die schwindenden Rohstoffe. Nichts über die Ursachen, kein Aktionsplan, wie es anders sein und werden könnte. Kein Aufrütteln der Menschen mit Zeitungen, die für anderthalb Wochen ihre Belanglosigkeiten in den Papierkorf werfen und versuchen, mit ihren LeserInnen einen Dialog über die Welt, was sie zusammenhält und auseinandertreibt und das Zusammenleben der Menschen zu finden.
In ihren Artikelchen und kleinen Meldungen haben die Medien sich über die unfähigen Politiker ereifert. Sie selber haben mit dem Umfang und der Art ihrer Wahrnahme des Problems nur ihre eigene innere und strukturelle Unfähigkeit unter Beweis gestellt, angemessen auf die heutigen Herausforderungen zu reagieren und zu ihrer Bewältigung beitragen zu können. Roland Quester, Leipzig
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