Medien: Weitere Entlassungen beim "Weser-Kurier"

Der Vorstand der "Weser-Kurier"-Mediengruppe hat die Schließung zweier Abteilungen angekündigt. Die Anzeigenakquisiteure gewinnen derweil in Serie vor dem Arbeitsgericht.

Protest gegen angedrohte Entlassungen vor dem Pressehaus des Weser-Kurier Bild: kawe

Am letzten Samstag im Juni haben MitarbeiterInnen von Firmen der Weser-Kurier-Mediengruppe wieder vor dem Pressehaus in der Martinistraße gegen ihr eigenes Unternehmen demonstriert - "gegen Unternehmerwillkür", wie es auf einem Informationsblatt der Gewerkschaft Ver.di heißt. Die Unternehmensleitung hatte angekündigt, die Abteilungen "Druckvorstufe" und "Service-Center" zu schließen, den 12 bzw. 41 Beschäftigten droht die Entlassung.

Plakate mit den Jahren ihrer Betriebszugehörigkeit - teilweise über 30 - in großen Ziffern hatte Ver.di vor dem Pressehaus demonstrativ aufgestellt. In den Gesprächen mit dem Betriebsrat hat die Unternehmensleitung nun angekündigt, dass weitere sieben Beschäftigte aus anderen Abteilungen entlassen werden sollen. "Wer wird als nächster betroffen sein?", fragt Ver.di und fordert die Belegschaft zur Solidarität auf. "Einziges Ziel des Vorstands ist es, die Personalkosten zu senken", schreibt Ver.di.

Die Arbeit solle an Fremdfirmen mit niedrigeren Tarifen vergeben werden. Die Weser-Kurier-Mediengruppe erkennt den gegründeten Konzernbetriebsrat nicht an - letztlich geht es auch um die Schwächung des Betriebsrates. In dieser Absicht hatte die Bremer Tageszeitungen-AG (BTAG) schon im vergangenen Jahr die Anzeigenakquisition der eigenen Tochterfirma MVB weggenommen und eine Fremdfirma SKC damit beauftragt, die im Handelsregister als vollkommen unabhängig erscheint. Da es kaum denkbar ist, dass ein Zeitungsunternehmen seine Anzeigenakquisition aus der Hand gibt, gab es von Anfang an den Verdacht, dass es sich um eine Strohmann-Konstruktion handeln könnte. Ein größerer Teil der Beschäftigten der MVB ist in die neue Firma SKC übergegangen und mit den alten Aufgaben beauftragt worden, auch der Geschäftsführer der SKC samt Sekretärin. Einzelne Mitarbeiter, vor allem die unliebsamen Betriebsräte der MVB, nicht. Sie klagen nun vor dem Arbeitsgericht auf Übernahme.

Ende April 2013 hat die SKC wieder fünf Arbeitsgerichtsprozesse verloren, mehrere Kammern des Arbeitsgerichtes haben inzwischen die Rechtsauffassung vertreten, dass der "Kern" des alten Betriebes MVB auf die neue Firma übergegangen ist und alle alten MVB-Mitarbeiter deshalb einen Beschäftigungsanspruch bei der neuen SKC haben. Die Wahl des neuen SKC-Betriebsrates, so das Arbeitsgericht, sei insofern auch "unwirksam".

Der Vorsitzende des Aufsichtsrates der BTAG, Johannes Weberling, vertritt als Anwalt in diesen Prozessen nicht seine "eigenen" Mitarbeiter, sondern die Fremdfirma SKC gegen die Mitarbeiter seiner eigenen Tochterfirma MVB. Bei dem letzten Arbeitsgerichtsverfahren verzichtete er resigniert ganz auf eine Erörterung der komplizierten Rechtslage, er setzt auf die Berufung vor dem Landesarbeitsgericht. In einer früheren Verhandlung hatte er einen wenig glücklichen Eindruck gemacht, als er der Richterin Befangenheit unterstellte. Zuletzt fiel er damit auf, dass er den Namen der Klägerin, einer Angestellten der eigenen BTAG-Tochterfirma MVB, nicht kannte.

Weberling behauptet, die alte Akquisitionsfirma MVB bestehe weiter, auch wenn sie ihren wesentlichen Auftrag von der Mutterfirma weggenommen bekommen habe. De facto macht die MVB allerdings kaum noch einen nennenswerten Umsatz - bei Lohnkosten von über 70.000 Euro im Monat. Eine Buchhalterin erklärte vor Gericht, dass sie mit anderen Aufgabe betraut seien, mangels buchbarer Vorgänge. Die teure "Firmenhülle" muss allerdings aufrechterhalten werden, damit nicht vollkommen offensichtlich wird, dass es sich um einen Betriebsübergang handelt.

Für Beobachter der Vorgänge beim Weser-Kurier geht es inzwischen auch um das Renommee des Juristen Weberling in seiner Rolle beim Weser-Kurier. Fall 1: Trotz eines eindeutigen Beschlusses des Bundesgerichtshofes hatte der Aufsichtsrat unter Federführung von Weberling im Oktober 2012 eine Erklärung verbreitet, in der es heißt, das Gremium habe "nach ausführlicher Prüfung der Sach- und Rechtslage" festgestellt, "dass ein Widerruf der Bestellung von Dr. Ulrich Hackmack als Vorstandsmitglied ... nicht gerechtfertigt ist." Das Bremer Oberlandesgericht hatte schon im Juli 2011 die Bestellung als "nichtig" beurteilt. Erst im April 2013 wurde Hackmack vom Aufsichtsrat freigestellt - einen Tag bevor das OLG in einem einstweiligen Verfügungs-Verfahren einen Termin zur Verkündung eines entsprechenden Beschlusses angesetzt hatte.

Fall 2: In dem aktuell vor dem Arbeitsgericht ausgetragenen Streit um das Outsourcing der Anzeigenabteilung des Weser-Kuriers hatte Weberling am 29. 8. 2007 - damals noch als Anwalt - ein Papier unter der Überschrift "BTAG - Zeittafel für das Outsorcing der MVB Medien Vermarktung & Betratung GmbH" vorgelegt. Damals war er nicht im Aufsichtsrat der Bremer Tageszeitungen-AG. Die Firma wurde im Handelsregister im November 2011 eingetragen als "MVB Medien Beratung". Auf drei Druckseiten hatte Weberling in dem Papier einen detaillierten Zeitplan für die Übertragung der Anzeigenakquisition auf diese neue Firma der Weser-Kurier-Mediengruppe, die MVB, entworfen. Darin ist als Ziel "ab dem 1.Januar 2009" die "Möglichkeit zur einseitigen Änderung der Arbeitsbedingungen" angeführt, der folgende Spiegelstrich erläutert als Alternative: "Ebenso Möglichkeit zur Schließung der MVB Medien Vermarktung & Betratung wegen Betriebsstillegung durch Neuvergabe des Dienstleistungsvertrages durch die BTAG an einen anderen Konkurrenten".

Tatsächlich wurde dann im Frühjahr 2012 die Anzeigenakquisition weitgehend von der MVB auf die neu gegründete Firma SKC übertragen, die MVB aber nicht geschlossen. Diese die Idee von 2007 in diesem Punkt korrigierende Entscheidung der Mediengruppe Weser-Kurier fiel in der Zeit, als Johannes Weberling Aufsichtsratsvorsitzender war.

Es blieb von der MVB allerdings nur ein Restbetrieb mit einer kleinen Zahl von Mitarbeitern übrig, der im Monat kaum ein Prozent des früheren Umsatzes macht und mehr Lohn-Kosten hat als Anzeigen-Umsatz. Mit dem Hinweis, dass die MVB "mit unveränderter Identität" fort existiere, weswegen kein Betriebsübergang stattgefunden haben könne, verteidigt Weberling als Anwalt derzeit in einer Serie von Arbeitsgerichtsverfahren die SKC gegen die Beschäftigungsansprüche von einzelnen MVB-Mitarbeitern, insbesondere von Betriebsräten der MVB, die nicht in der SKC weiterbeschäftigt werden.

Bisher haben Anwalt Weberling und die von ihm vertretene SKC alle Verfahren in der ersten Instanz verloren. Für den Juli ist das erste Verfahren in der zweiten Instanz terminiert. Mit Beschluss vom 30. 5. 2013 hat das Arbeitsgericht Bremen zudem festgestellt, dass der "identitässtiftende Kern" des Betriebes MVB auf die SKC übergangen sei, dass es sich daher um einen "Betriebsübergang nach 613a BGB" handele und daher auch die Neuwahl eines Betriebsrates bei der SKC "unwirksam" sei.

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