Medien in der ROCKER-HOCHBURG: Andrang unter Hirschgeweihen
Wie in Walsrode einmal ein Radiosender über den Einfluss der Hells Angels sprechen wollte. Ein Ortstermin.
BREMEN taz | Vielleicht hätten die Plätze gereicht - wenn sich nicht so viele Zivilpolizisten mit ihren schwarzen Gürteltaschen unter die Zuhörer im hirschgeweihdekorierten Hermann-Löns-Saal gemischt hätten. So aber drängten sich viele Zuhörer noch im Flur, um das Spektakel wenigstens anhören zu können.
"Der lange Arm der Hells Angels - Wie gefährlich ist der Rockerclub?", hatte der Sender Nordwestradio seine einstündige Live-Sendung genannt. Ausgestrahlt wurde sie am Donnerstag aus der Stadt, die seit einem Jahr immer wieder wegen der Hells Angels in den Schlagzeilen steht.
Von Walsrode aus hat Wolfgang Heer, als Schatzmeister eine der bundesweit wichtigsten Figuren der Hells Angels, binnen drei Jahrzehnten ein kleines Firmenimperium aufgebaut: Neben etlichen Rotlichtbetrieben besitzt er zusammen mit dem hannoverschen Hells-Angels-Boss Frank Hanebuth eine Security-Firma. Die sichert vor allem Hanebuths Bordellbetriebe in der Landeshauptstadt, aber auch Walsroder Stadtmarketing nimmt die Dienste von "Bodyguard-Security" dann und wann in Anspruch. Weil Heer dort immer wieder Vereine und Institutionen mit Spenden unterstützt, ist er in der Stadt ein geachteter Mann. Die Polizei dagegen sieht die Rocker tief in die organisierte Kriminalität verstrickt.
Wegen des Verdachts auf Menschenhandels ermittelt die Staatsanwaltschaft Verden gegen die Walsroder Rocker: Sie glaubt, dass in den Bordellen Frauen unter 21 Jahren beschäftigt wurden - das wäre strafbar.
Ein Bußgeld von 1.200 Euro soll die "Bodyguard-Security" von Wolfgang Heer und Frank Hanebuth zahlen, weil sie unerlaubterweise einen vorbestraften Wachmann eingesetzt hat.
Ohne Genehmigung Inkasso-Dienste angeboten hat "Bodyguard-Security" nach Erkenntnissen des Norddeutschen Rundfunks. Auch hier ermittelt inzwischen die Staatsanwaltschaft.
Als in Walsrode zum letzten Mal öffentlich über dieses Thema diskutiert wurde, kamen mehr als 500 Menschen, darunter eine dreistellige Zahl von Höllenengeln. "Beängstigend" sei das gewesen, erinnern sich manche, die dabei waren. Organisiert hatte die Diskussion im Sommer 2010 der grüne Ratsherr Detlef Gieseke. "Ein Unding" nennt er die städtische Kumpanei mit dem Rotlicht-Boss. Damals war außer ihm kein einziges weiteres Ratsmitglied erschienen, obwohl kurz zuvor ein Anschlag auf Fahrzeuge von Familie Gieseke verübt worden war.
"In Walsrode für Sicherheit zu sorgen, ist Aufgabe der Polizei und nicht der Hells Angels", sagte Gieseke nun. "Die Polizei hat uns schon 2010 ihre Ächtung empfohlen." Ihm gegenüber, in der ersten Reihe, saßen Heer und Hanebuth. Aufs Podium durfte Heer nicht: Andere Gäste hätten das nicht gewollt, zudem habe Nordwestradio befürchtet, dass es "am Ende noch polemisch geworden" wäre, sagte eine Redakteurin. Ein Wortbeitrag Heers wurde daher vorher aufgezeichnet: "Das geht hier persönlich gegen mich", war zu hören, "die Familie leidet, die Kinder werden schräg angeguckt."
Nach der Sendung gab Heer einem Kamerateam ein Interview: Die Rocker bedrohten in Walsrode niemanden, "hier passiert nichts". Er sei zuversichtlich, dass die laufenden Ermittlungsverfahren eingestellt würden: "Wenn das so gravierend wäre, wäre ich jetzt nicht hier." Während Hanebuth anerkennend nickte, schob Heer hinterher: "Ich habe keinen Heiligenschein auf dem Kopf, aber ich stehe aufrecht und werde niemals niederknien. Niemand wird mich zwingen, bei den Hells Angels aufzuhören."
Das ganze sei bloß eine Show, sagte auch der Vorsitzende der CDU-Kreistagsfraktion im Heidekreis, Hermann Norden. "Die Situation wird überschätzt." Die Medien sollten lieber mal "über Wirtschaftsförderung" in Walsrode berichten.
Andreas Kühn, beim Landeskriminalamt Niedersachsen für die Rockerkriminalität zuständig, dankte hingegen für die "kritische Berichterstattung": Seit 2009 seien die Hells Angels bundesweit für vier Tötungsdelikte verantwortlich, so Kühn. "Sie nennen sich nicht bloß Gesetzlose." Die mit Heer arbeitenden Geschäftsleute in der Stadt müssten sich fragen lassen, ob für sie "nur das Geld zählt oder nicht auch die Moral".
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