McCain wirbt um politische Mitte: Der gefährlichste Gegner
Der Kandidat ist der klare konservative Sieger des Super Tuesday. Doch auch für viele demokratische Wähler ist der Vietnamveteran attraktiv.
Für seine Gegner ist John McCain eine Gefahr. Der Mann ist 71, er ist Senator, er ist Vietnamveteran, er ist gezeichnet von den Narben, die ihm George W. Bush und sein Stratege Karl Rove beigebracht haben, er gilt auch politischen Gegnern als integer. Und er ist, seit Dienstagnacht, ein Siegertyp.
Der Senator aus Arizona ist der einzige der verbliebenen fünf KandidatInnen, der aus der Vorwahlschlacht des vergangenen Super Tuesday als klarer Sieger hervorgegangen ist. Er hat nicht in allen Bundesstaaten die republikanischen Vorwahlen gewonnen, aber doch genügend vor allem solche Staaten, in denen der Kandidat mit den meisten Stimmen gleich alle Delegierten zugesprochen bekommt. Und dann noch alle 170 Delegierten aus Kalifornien. Das reicht, um jetzt einen komfortablen Vorsprung vor seinen beiden Mitbewerbern Mitt Romney und Mike Huckabee zu haben. Oder, wie es McCain ausdrückte: "Wir sind jetzt die Frontrunner - und es macht mir gar nichts aus!"
Für die Demokraten ist John McCain wohl der gefährlichste Gegner von allen. Kein anderer wäre in der Lage, in der politischen Mitte um Stimmen zu werben oder gar tendenziell demokratisch orientierte Wechselwähler für sich einzunehmen. John McCain kann das. Im Kongress, dem er seit 1982 angehört, hat er eine lange Geschichte parteiübergreifender Initiativen geschrieben. Am bekanntesten ist die zur Reform der Wahlkampffinanzierung, die er gemeinsam mit dem demokratischen Senator Russell Feingold durch den Senat brachte.
Nicht zuletzt diese Gesetzesinitiative, die die Finanzierungsmöglichkeiten politischer Kandidaten einengt, hat McCain zu einem der größten Feindbilder der konservativen Parteibasis der Republikaner und der ultrakonservativen evangelikalen Rechten werden lassen. Seit Monaten schon haben sich etwa konservative Radiotalker wie Rush Limbaugh auf McCain eingeschossen. Sie raten konservativen Wählern, im November lieber zu Hause zu bleiben, als John McCain zu wählen.
So viel Hass ist freilich nicht allein das Ergebnis der Wahlkampffinanzierungsreform. McCain hat mit der christlichen Rechten wenig zu schaffen. Im Kampf gegen den Terror bezog er konsequent eine kritische Haltung zur eigenen Regierung, kritisierte offen den Umgang der US-Sicherheitsbehörden mit dem Thema Folter und suchte durch neue Gesetzesinitiativen Abhilfe zu schaffen. Sein Argument: Als ehemaliger Kriegsgefangener wisse er genau, in welche Gefahr Misshandlung ausländischer Gefangener die eigenen Soldaten bringe. Die USA, so McCain, müssten sich strikt an ihre internationalen Verpflichtungen halten.
Der Reiz, den John McCain und die Perspektive einer Kandidatur trotz seines Alters auf moderate Wähler ausübte, verflog erst Anfang letzten Jahres. Mit dem Thema Irak hatten die Demokraten gerade die Mehrheit in beiden Häusern des Kongresses zurückerobert, als Präsident Bush seinen Plan zur Truppenaufstockung im Irak verkündete. Wichtigster Unterstützer: John McCain. Seine Kandidatur trat auf der Stelle, in der allgemeinen Antikriegsstimmung ging er fast unter, hatte Mitte letzten Jahres kein Geld mehr, war kurz vor dem Aufgeben. Dass er es aus dieser Position eines zunächst notdürftig zusammengeborgten finanziellen Überlebens im Januar schaffte, die Vorwahlen in New Hampshire zu gewinnen, galt schon als kleines Wunder. Es wäre nicht möglich gewesen, hätte sich die öffentliche Besorgnis nicht rasant vom Irakkrieg auf die Rezessionsängste verlagert. So aber war die Saga vom Stehaufmännchen McCain geboren.
Allerdings hängen McCains Siege nicht allein an ihm. Seine Konkurrenten Mike Huckabee und Mitt Romney haben sich im Werben um die konservative Parteibasis gegenseitig zu überbieten versucht - und sich vor allem gegenseitig die Wähler weggenommen. McCain ist der lachende Dritte.
Sollte McCain - und fast nichts scheint mehr dagegen zu sprechen - tatsächlich die republikanische Nominierung gewinnen, dann würde das automatisch einen grundlegenden Schwenk in der republikanischen Wahlstrategie bedeuten. Denn den Christlich-Konservativen, die in der Gewinnerstrategie des Karl Rove das entscheidende Mobilisierungspotenzial bildeten, ist McCain ein rotes Tuch. Er gilt als Verräter der republikanischen Sache. In der Partei ist McCain seit je ein nervender Einzelgänger ohne Basis Seinetwegen, so die Botschaft der Rechten, würde bestimmt niemand von ihnen im November zur Wahl gehen. Wenn McCain diese Wähler doch noch mobilisieren wollte, dann nur, um den Einzug der noch viel verhassteren Hillary Clinton ins Weiße Haus zu verhindern. Er selbst jedenfalls, so viel scheint aus den bisherigen Vorwahlen klar, wird an diese Wähler nie herankommen. Wenn er gewinnt, muss er sich einen Vizepräsidentschaftskandidaten suchen, der die Bedenken der christlichen Rechten zerstreut und sie mit ins Boot holt. Nach derzeitigem Stand könnte das Mike Huckabee sein.
Der allerdings müsste, genau wie der ehemalige Gouverneur von Massachusetts, Mitt Romney, zunächst einmal aufgeben. Beide haben eigentlich keine reelle Chance mehr, den Vorsprung McCains noch aufzuholen. Unklar ist nur noch der richtige Moment.
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