Maybrit Illner macht Quote: Gottschalk, der Edel-Pirat
In Illners Diskussionsrunde ging es Donnerstagabend ums Thema "Was ist gute Unterhaltung?" Die Quote war Spitze, doch ansonsten ist nichts dabei rausgekommen.
BERLIN taz | Normalerweise haben sie es beim ZDF ja nicht so mit Verwertungsketten. Aber der große Verzicht von Thomas Gottschalk – er hatte bei der jüngsten "Wetten, dass..?"-Ausgabe am 12. Februar seinen Rücktritt im Sommer angekündigt – wollte dann doch noch mal gemolken werden. Zumal sich das Zweite durch die Phantom-Diskussion, ob nach dem schweren Unfall von Wettkandidat Samuel Koch in der vorletzten "Wetten, dass..?"-Sendung die Show-Unterhaltung generell zu weit gehe, herausgefordert fühlte. Und auch das eben abgespulte "Dschungel-Camp" mit seinen Rekordquoten für die private RTL-Konkurrenz bot genug öffentlich-rechtliche Angriffsflächen.
Also diskutierte Maybrit Illner am Donnerstagabend mit Thomas Gottschalk, Ute Biernat, Giovanni di Lorenzo und Mathieu Carrière über das Thema "Wetten dass..? oder Dschungelcamp – Was ist gute Unterhaltung?" Der Talk zum Thema TV-Qualität erwies sich dabei als überraschend großer Quotenhit. 3,93 Millionen Zuschauer sahen zu - das waren zwei Millionen mehr als in der vergangenen Woche beim Thema Frauenquote eingeschaltet hatten. Auch im Vergleich zum Jahres-Schnitt 2010 wird der außerordentliche Erfolg deutlich: Über das gesamte Jahr gesehen kam Maybrit Illner damals auf im Schnitt 2,37 Millionen Zuschauer.
Wie ein Edel-Pirat der Karibik gewandet saß Gottschalk bei Maybrit Illner und stellte nochmal dar, wie "der Unfall" ihn "aus dem Gleis geworfen" habe. "Jetzt ist der Wurm drin und soll auch drin bleiben." Dass "Kollege Bohlen" mit seinem "DSDS" ihm "schon auf den Fersen war", habe so direkt "keine Rolle gespielt", sagte Gottschalk.
Natürlich ist es begrüßenswert, wenn Medien sich zu ihren Hintergründen und Entstehungsprozessen äußern und so für ein bisschen mehr Transparenz sorgen. Allen voran das in eigener Sache immer so souverän verkniffene ZDF, das jetzt gleich zwei wichtige neue Posten zu besetzen hat: Kurz vor Gottschalk hatte auch der Intendant des Zweiten mitgeteilt, dass er nur noch bis zum nächsten Frühjahr mitmacht, wenn auch aus anderen Gründen.
Doch weil man ja nicht wirklich Tacheles reden kann und will, geraten derlei Versuche gerne mal unfreiwillig komisch. Oder wie die Runde bei Illner einfach nur langweilig. Da lubhudelte dann Zeit-Chefredakteur Giovanni di Lorenzo das große Goldbärchen und fand "es wahnsinnig schade, dass Thomas Gottschalk aufhört. Was er macht, ist wahnsinnig schwer. Jeder, der versucht hat, mal eine Betriebsfeier zu moderieren, weiß, wie schwer das ist", kokettierte der "3 nach 9"-Moderator in seiner erfrischend ungenierten Art mit sich selbst.
Der Schauspieler und Dschungelcamp-Überlebende Mathieu Carrière ist als der Intellektuelle der Runde gecastet und doziert: "Das Wesen des Humors besteht aus zwei Elementen: Sadismus und Sympathie" und kommt mit Warhols unvermeidlicher 15-Minuten-Ruhm-Terrine.
Grundy-Ufa-Frau Ute Biernat, die seit Jahren für private wie öffentlich-rechtliche Sender im Casting-Geschäft tätig ist, kennt sich als einzige wirklich aus und darf zwischendurch immerhin daran erinnern, dass auch Thomas Gottschalk vor gerade mal gut zwei Jahren mit einer Musical-Casting-Show im ZDF quotenmäßig eher Baden ging. Gottschalk: "Wir waren ja nett zu den Leuten", dann gibt es zur Nachhilfe ein paar Clips. Der böse Bohlen von "DSDS" kann nur per Texttafel dokumentiert werden – hat RTL wieder mal keine Bilder frei gegeben?
Mittendrin schwimmt Maybrit Illner, die sich im Thema sichtlich unwohl fühlt und auch mit ihren Gästen wenig warm wird – was nicht verwundert, weil die Alphamännchen Gottschalk und di Lorenzo ständig die Moderation an sich reißen wollen. Eine hübsch verkorkste Angelegenheit also, die nicht mal die Frage beantwortet, ob es nun ekliger ist, sich wie die Dschungelcamper in Kakerlaken zu legen oder wie einst – Vorsicht, schleichwerbeverdächtiger Wortwitz - "Thomy" Gottschalk in ein Fass voller Senf tauchen zu lassen. Frau Illner, soviel bleibt hängen, hat's mit Senf nicht so.
Auf eines kann sich die Truppe immerhin einigen: Die öffentlich-rechtlichen Sender sollten lieber mal wieder eigene Ideen haben und neuen Formaten und Moderatoren Zeit lassen, als immer nur hektische Kopien zu ziehen und die Quote anzubeten. Dann warnt Gottschalk noch, dass er ja "nicht aus der Welt" sei, falls es sein Nachfolger bei "Wetten, dass..?" nicht so hinbekommen sollte und überrascht mit der Erkenntnis, dass "Fasching im Puff lustiger als im Seniorenheim der Caritas" sei.
Pflichtschuldigst will Zeit-Betriebsnudel di Lorenzo widersprechen, doch leider ist Illner schon alle und Markus Lanz dran. Der hat endlich mal wieder Rainer Langhans da, und als der seinen Satz sagt "Das Fernsehen/Internet/ – oder was auch immer – ist die neue Kommune", schalten sich alle TV-Geräte der Welt vor Sympathie von selbst ab.
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