: May we have your points, please?
In Kiew wird der 50. Grand Prix Eurovision gefeiert: Präsident Wiktor Juschtschenko hat sich seit der „Revolution in Orange“ besonders für die glanzvolle Ausrichtung verwandt. Er weiß, wo sich Dankbarkeit zu zeigen hat: „Ruslana hat uns die Tür nach Europa geöffnet.“ Die Vorjahressiegerin wird anwesend sein– wie die Gebrüder Klitschko. Moderiert wird der Abend von Mascha und DJ Pascha.
1956 fand die erste Eurovision mit sieben Ländern statt – in diesem Jahr sind 39 Länder beteiligt. Ihr Debüt geben Bulgarien und Moldawien. Mitmachen dürften auch die nordafrikanischen und nahöstlichen Eurovisionsländer: Aber sie alle machen ihr Teilnahme vom Ausschluss Israels abhängig – was die Eurovisionszentrale in Genf nicht akzeptieren will.
15 Länder haben vorgestern die Qualifikation für das Finale nicht geschafft; sie dürfen trotzdem von etwa 22.30 Uhr an beim Televoting mitstimmen. Jurywertungen sind überhaupt nicht mehr zulässig – vermieden werden soll damit geschmackliche Willkür so genannter Experten.
Die Regeln sind die gleichen wie in den Vorjahren: Gesungen werden muss live; ein Act darf nur aus sechs Personen bestehen; die Tonspuren kommen vom Band; jede Sprache ist erlaubt, meist jedoch wird auf Englisch performt; abstimmen darf jeder per Televoting, nur nicht für den Song des eigenen Landes. Die Punktevergabe ist die übliche: May I have your votes, please? Zwölf Zähler vergibt ein Land an den beliebtesten Song, zehn für den zweitbeliebtesten und immerhin noch einen Punkt für das zehntliebste Lied.
Die von Stefan Raab im Vorjahr verbreitete Mär, Ruslana habe nur dank der ausufernden Teilnahme osteuropäischer Länder gewonnen, war und ist falsch: Die Ukrainerin hätte auch ohne die Voten jener Länder gesiegt, die bis 1990 noch zum sowjetischen Einflussbereich zählten. Und: Max Mutzke erhielt seine Punkte 2004 am häufigsten aus den Nachbarländern Österreich und Schweiz. Also: Osteuropäisches oder Balkanisches kann nicht gewinnen ohne Zustimmung aus ihnen ferneren Regionen.
Der Kiewer Eurovision Song Contest ist ein fast durchweg englischsprachiges Unterfangen: Auf die französische Übersetzung der Moderationen und Punktevergaben wird verzichtet. Diese Sprache gerät offenbar ins Abseits: Der letzte auf Französisch gesungene Titel gewann 1988 – Céline Dion sang für die Schweiz.
Trends: in musikalischer Hinsicht dominiert wieder diskotaugliche Ware, auffällig aber ist, dass das Gros der Songs hörbar von arabischen Einflüssen lebt. Insgesamt ist kaum noch erkennbar, welchem Land nun welches Lied zugehört. Finnland klingt nicht mehr wie Finnland einst, und Gracia ist auch eine Verneigung vor allen Rockröhren der Welt.
Trends: in modischer Hinsicht dient alles der sexuellen Attraktion. Bis auf die Maltesin entsprechen alle Sängerinnen dem Ideal der hungernden Schönheit; die Männer zeigen so viel (Bauch-)Muskelfleisch wie nie. Der ukrainische Act erinnert an das gediegene Skinheadmodell ohne metrosexuellen Appeal.
TV-Sendungen: Die ARD überträgt ab 21 Uhr live – bis 0.20 Uhr; auf dem gleichen Kanal werden auch die Shows drumrum ausgestrahlt. Moderiert von Thomas Hermanns von der Hamburger Reeperbahn, heißt das Motto: Das ist der schönste Tag im ganzen Jahr. Zweites Motto: Nach dem Grand Prix ist vor dem Grand Prix – Gott sei gepriesen. JAF